Samstag, 26. November 2011

Von gordischen Knoten,
alexandrinischen Schwertern ...

oder wie man KLAR wird - und kommt!


Ich bin ich.
Das war ich immer ...
Das bin ich stets ...

Aber - O Wunder! - ich werde tatsächlich immer noch icher!
Das ist etwas, was ich seit Jahren empfinde. Und immer noch erfüllt es mich mit tiefem Staunen, dass ein sooo altes Pferd noch sooo tolle neue Kunststücke zu lernen im Stande ...

Aber von Anfang an:

Ich habe etwa 50 Jahre praktisch zwei Leben geführt.
Das mag wohl durchaus seinen Reiz haben, weil es ja bedeutet, auf beiden Seiten des Zauns saftige Kräutlein zu weiden ... Es erfordert aber auch einen erheblichen Energieaufwand.

"Second Life" mag virtuell funktionieren (selbst DA nicht wirklich - aber davon später) -
In Realitas ist es einfach nur mühsam: Ich bin 52. Ich sehe (sagt man) aus wie 42 (erstaunlich eigentlich ...), fühle mich hingegen oft wie 82, weil mich die - gefühlt! - doppelte Last der Jahre drückt.
Ich habe diesen extensiven Raubbau an meinen Resourcen mit Angstattacken und Depressionen bezahlt, weil wir halt für EIN Leben konzipiert sind - und nicht für das entschiedene "Jein!", mit dem ich all die relevanten Fragen des Lebens zu beantworten pflegte.

Seit spätestens Anfang der 80er WEISS ich, dass ich nicht umhin kommen werde, meiner emotionalen (und angeborenen) Gemengelage Rechnung zu tragen - dennoch bedurfte es erst des eindeutigen Bedürfnisses meines KINDES, endlich Nägel mit Köpfen zu machen.

Meine Tochter verbringt viel Zeit mit der drei Jahre älteren Nachbarstochter, die, weil sie unangemeldet durch unseren Garten streunt, gar nicht anders konnte, als zu realisieren, dass mit Finis Papi nicht ALLES mit rechten Dingen zugeht.
Meine Tochter beantwortete ihre Fragen wahrheitsgemäß (wir haben sie zu schon fast rücksichtsloser Ehrlichkeit erzogen!).
Die Nachbarstochter nahm das einfach so hin, betonte aber, dass sie mich eigentlich nicht besonders merkwürdig, sondern einfach "nett" fände (ist "nett" nun die kleine Schwester von "Scheiße", oder nicht??).
Gefion hingegen trug jetzt Sorge, dass ihre Freundin ihren Eltern davon berichten möge - und fortan nicht mehr mit ihr spielen dürfe.

Ufff ...

Sie bat mich also, doch gelegentlich mit den Eltern ihrer Freundin zu sprechen, um mich zu erklären ...
Dazu muss man wissen, dass meine Tochter eigentlich seit Anbeginn weiß, dass ihr Papi "anders" ist ... und das - nach eigener Aussage - nicht wirklich seltsam findet.
Ich sehe mich übrigens nach wie vor genauso: Ich bin Nicht-die-Mama - die Mami-Stelle ist nämlich schon besetzt - ich bin "PAPI" - und stolz darauf!

Das war mir ein Weckruf.
Da habe ich zum ersten Mal begriffen, dass meine Uneindeutigkeit, mein unentschlossenes Herumgerudere, nicht nur mich, sondern  - eventuell sogar stärker! -, meine Nächsten, Liebsten in unhaltbare Konflikte stürzt!

Ich habe - getragen von den Schwingen knackfrischer Erkenntniss - nicht nur mit den Nachbarn gesprochen (sehr einfache, bodenständige Leute übrigens, die eher angefressen waren, weil ich ihnen offenbar so wenig Tolleranz zugetraut habe) - ich habe außerdem eine Rundmail an alle Eltern und Lehrkräfte von Gefions Schule verfaßt. Und das kurz vor dem Elternabend.

So! Britta hat fertig!
"Jan" ist nicht tot (der arme Bengel hatte es schwer genug!) - ist aber nur noch Teil meiner Geschichte.
Ich halte ihn in Ehren.

Ich geh nicht mehr als "Mann" auf die Straße.
Ich hatte es längst so satt.
Ich war das nie.
Ich bin das nicht.
Und - bei allem redlichen Bemühen - ich WILL (und wollte) das gar nicht werden!

Was ich WOLLTE?

Ich wollte ein Kind ZEUGEN, weil ich es nach gegenwärtigem Stand der Technik weder empfangen, noch gebären kann.

Been there - done that!

Meine Tochter ist nun neun - und smart genug, sich ihre eigene Meinung zu bilden.
Mein schrecklicher leiblicher Vater (das zweite anscheinend unumschiffbare Hinderniss) ist seit nunmehr 12 Jahren "tiefergelegt" ... Meine Mom und mein (Stief)Vater (der ziemlich cool und ein wirklicher Vater für mich ist!), sind zwar nicht sonderlich erbaut, aber durchaus Willens, sich mit ihrer seltsamen "Neo-Tochter" zu arrangieren.

WAS braucht es noch??

Nix - oder??

Außer plötzlich haufenweise alltagskompatiblem Kram, den das Brittalein bislang sträflich/leichtfertig vernachlässigt hat: Winterstiefel z.B., um mit Tochter durch Matsch und Schnee zu stapfen ... Outfits, die supermarkt- und von-der-Schule-abholen geeignet sind.
Tarnkappen ... Unsichtbarkeitsaccessoires ... go with the flow ... trag, was alle anderen tragen ...

Und wißt Ihr was?? Es geht!
Und es ist sooo cool!
An der Supermarktkasse werde ich belehrt, dass es "verboten" sei, mit der "EC-Karte meines MANNES" zu bezahlen!
Was exzessive Heiterkeitsausbrüche meiner Tochter zur Folge hat.
Das ist lästig (allerdings auch ein wenig lustig). Und ich nehme es als Kompliment.
Weil ich FUNKTIONIERE! Weil ich sooo sehr Frau BIN!
Könnt ihr euch vorstellen, dass ich fast das Flennen gekriegt hätte??

Könnt ihr nachvollziehen, dass ich, als der Autoschrauber, der mich seit -zig Jahren kennt, mich nach all der Zeit (nachdem ich ich auch da als mein wahres Selbst einen Kleinwagen gekauft hatte) fragte, da ich mich beschwerte, dass die Hupe nicht ginge, ob ich vielleicht den Schalter nicht gefunden hätte (Hallooo, doofer Kerl?? Ich hab das Fucking-Manual dieses blöden Autos durchaus gelesen!!), nicht "Rot" sah - sondern mich im Gegenteil darin bestärkt fühlte, dass ich extrem überzeugend wirke??

Frausein ist manchmal (oder meist??) nicht lustig. Manchmal sogar richtig scheiße.
Und Frauen sind NICHT die besseren Menschen.
Aber ich BIN es nun mal... Und da ist leider echt scheißegal, wie mein Body (der mitlerweile unter östrogenallem Dauerfeuer endlich auch ein Einsehen zeigt - Braves Körperlein!) daherkommt ...
"Et küt, wie et küt!" sollen Rheinländer in so einem Fall angeblich sagen.
Und so ist es ...

ICH ... bin ICH. -
Ich bin BRITTA!
Und das ist GUT so!! 

(normalerweise falle ich lieber tot um, als mich mit meiner doofen Brille ablichten zu lassen - Agamen indessen haben so eklig klebrige Zungen ... und betasten damit alles, was ihnen interessant erscheint. Augen z.B. ...
Dann doch lieber Brillen-Britta *seufz*)






Oh! Jetzt bin ich den Bezug zu den "alexandrinischen Schwertern" schuldig geblieben ...

Also: Mir erschien meine Verhaftetheit in diesem bigeschlechtlichem Paralelluniversum immer als praktisch schicksalshaft... eine unentwirrbare Verstrubbelung meines Seins ... ein gordischer Knoten quasi...
Erst das Zusammentreffen mit meiner ganz persönlichen Nemesis... einem Menschen, der zum MANN wird ... Das auch noch lustig  findet ... Und mich so meiner ganz persönlichen Nagelprobe unterzieht ... konnte mich so sehr mit mir selbst konfrontieren.

Nolens volens hat so ein Mensch, der noch ein wenig Zeit brauchen wird, um sich seines Platzes, seiner Rolle und seiner Verantwortung in dieser Welt bewußt zu werden - Homo Ludens par excellance - mir den Tritt in den Hintern beschert, der nötig war, um zu erkennen, was wahrhaft Not tut.

Thanks - by the way! ;-)