Educating Britta - Lektion 2
"Wer sich nicht wehrt - kommt an den Herd!" steht auf einer Kachel, die Brittas Kochstelle schon zierte, als Alex noch nicht in ihr Leben getreten war.
Dieser ursprünglich gar nicht so lustige Slogan der Frauenbewegung findet sich mittlerweile auf allerlei launigen Grußkärtlein, muß sogar als lind'scher Buchtitel herhalten und war das Geschenk einer Freundin, die sich eigentlich nicht viel dabei gedacht hatte.
Seit Britta doch erheblich mehr Zeit quasi Aug in Aug mit dieser bösen Kachel verbringt, erhält die keramikgewordene Aussage viel von ihrer ursprünglichen Brisanz zurück.
Alex ißt zwar gern, kocht aber lausig, was er aber jetzt natürlich auch nicht mehr muss.
Britta hingegen hat immer gern gekocht, kann das auch halbwegs zufriedenstellend, spürt jetzt aber, da da die Kür der täglichen Pflicht gewichen ist, doch gelegentlich die damit einhergehende Last.
Heute kocht Britta Rosenkohl - ein Gemüse, dass sie selbst mit Inbrunst verabscheut, aber der Abwechslung halber und weil Alex das gerne mag, murrend und knurrend eingekauft hat.
Soll ja auch gesund sein - angeblich hat der Erfinder des Zeugs da irgendetwas reingetan, was freie Radikale bindet.
Britta - auch eine ehemals freie Radikale - bindet sich die Schürze um und macht sich mißmutig ans Werk.
"Oh - Rosenkohl!" sagt der beste aller Gatten, als er mal wieder in der Küche vorbeischaut und nickt beifällig.
"Jaaa... ätzend... nur wegen DIR!" kann sich Britta nicht verkneifen, die seit gefühlten drei Stunden (werden wohl so 20 Minuten gewesen sein) an den winzigen Kohlröschen herumschnippelt.
"Hätteste ja nicht kaufen MÜSSEN..." - Hmm... da hat er Recht. Das ist, genaugenommen, wieder so ein Fall vorausheulenden Gehorsams, bei dem Britta sich in letzter Zeit des öfteren ertappt.
Beim Essen kommen wir irgendwie auf Eva Herman.
Als Buch, Diskussion und anschließender Rauswurf noch frisch waren, haben wir uns beide - natürlich ohne uns der Mühe zu unterziehen, das Buch zu lesen - über die Autorin und ihre anachronistisch anmutende These lustiggemacht. Wir waren uns einig, dass eine Frau, die eine beeindruckende Karriere hingelegt hat, nach drei ruinierten Ehen mit gerade mal einem Kind (dem bezeichnenderweise in öffentlichen Foren Drogenkonsum unterstellt wurde - spannende Theorie angesichts der Tatsache, dass der Bengel in diesem Jahr gerade mal 13 werden wird) nicht eben als leuchtendes Beispiel für zukünftige demütig-glückstrahlende Heimchen am Herd durchgehen könne.
Alex steht auch noch voll und ganz hinter seiner damaligen Meinung - ich aber stelle fest, dass mir die kategorische Ablehnung nicht mehr ganz so locker von der Hand geht.
Liegt das vielleicht daran, dass sich meine Lebensrealität doch deutlich stärker geändert hat?
Alex tut ja im Wesentlichen, was er immer schon getan hat: Arbeit hat höchste Priorität, Kinder und Haushalt subsummieren sich irgendwie und können jetzt endlich ziemlich vollumfänglich delegiert werden. Erkauft wird das mit noch mehr Arbeit und größerer Verantwortung, ruft natürlich auch eine verstärkte Auseinandersetzung mit der männlichen Rolle und zunehmende Indentifikation damit hervor.
Mich aber scheint der vollzogene Paradigmenwechsel doch mehr in Mitleidenschaft zu ziehen: Ich beobachte bei mir ja schon seit längerem einen verwirrenden Wertewandel, der mir unter anderem die herman'schen Thesen als auf einmal gar nicht mehr sooo absurd erscheinen läßt.
Alexianischer Rest-Feminismus (auch vielleicht ein von mir unterstelltes schlechtes Gewissen in Bezug auf eine nicht zufriedenstellend ausgefüllte Mutterrolle) und mausiologische Neo-Häuslichkeit prallen fröhlich aufeinander, derweil mein Mann den zartgedünsteten (Ha! Bißfest!) und anschließend liebevoll mit Käse überbackenen Rosenkohl verschlingt (guuutes Rezept - so bekam selbst ICH das Zeug einigermaßen herunter!).
Je mehr wir uns also in unsere jeweiligen Positionen hineinsteigern, desto auffälliger wird, dass wir seinerzeit erschütternd unreflektiert die damals vorherrschende Medienmeinung übernommen haben, weshalb wir nach dem Essen, jeweils vor unseren Rechnern grummelnd, die tatsächlichen Begebenheiten zu recherchieren versuchen.
Schnell - und relativ einhellig - wird uns klar, dass die Herman damals regelrecht öffentlich exekutiert wurde. Die berüchtigte Kerner-Sendung, in deren Verlauf sie schließlich wie ein unartiges Kind des Studios verwiesen wurde, findet sich - teilweise erhellend kommentiert - im Netz.
Erstaunlich, wie ein biederes Ratgeber-Büchlein, das doch eigentlich auf der sonst nicht wirklich einer kritischen Betrachtung unterzogenen Mars-Venus-Zuhör-Einpark-Welle daherdümpelt, zu so geradezu haßerfüllten Reaktionen führen konnte...
Oder doch nicht so erstaunlich, weil Feministinnen den damals eingeschlagenen Weg, der längst von der erkämpften Option zum Imperativ geworden ist, als doch nicht sooo richtig befriedigend empfunden haben, sich das aber nicht so recht eingestehen mögen??
Bellen da getroffene Hunde? Oder geht es tatsächlich um berechtigte Sorge vor einem Roll-Back, der mühsam Errungenes in Frage zu stellen droht?
Das fragt man sich doch - als bundesdeutsche Hausfrau.
Alex fragt sich das natürlich nicht und interpretiert Textauszüge und von Herman verfaßte Artikel SO anders, dass ich an meiner Wahrnehmung zu zweifeln beginne...
Ich meine - die Situation ist doch an Absurdität kaum zu überbieten: Da sitzen eine manngeborene Nur-Hausfrau und ein fraugeborener Voll-Jurist und kriegen sich fast über ein Buch in die Wolle, das die Freuden naturgegebener Mutterschaft besingt!
ER tobt, dass eine Frau gefälligst arbeiten gehen solle (Aha! Und WARUM darf ICH das dann nicht??), weil 40 Jahre Emanzipation und der aufopferungsvolle Kampf unzähliger Frauen sie dazu in den Stand gesetzt hätten, während SIE vor Mitleid mit ihrer gescholtenen Geschlechtsgenossin fast zerfließt und darauf pocht, dass Hausarbeit und Kindererziehung in dieser Gesellschaft viel zu wenig Ansehen genössen, ja - schon fast ehrabschneidend geringgeschätzt würden.
Ganz großes Kino!
Für mich in diesem Zusammenhang besonders interessant: Alex behauptet, dass die von Kerner geforderte Entschuldigung das Diskussionsklima entspannt und Frau Herman den beschämenden Rauswurf erspart hätte. Auf meine Frage, ob er denn auch von einem MANN eine derartige Goodwill-Entschuldigung verlangt hätte, guckt er mich mit großen Augen an. Also nicht.
Hmmm... Das ist ja putzig: Von Frauen wird Konzilianz bis zur Selbstverleugnung erwartet, damit man sich überhaupt mit ihnen auseinandersetzt? Sie sollen sich ruhig schon mal vorauseilend entschuldigen - auch und gerade, wenn wie in diesem Fall so überhaupt kein Grund dafür besteht - am besten offenbar für ihre ganze nichtswürdige Existenz? Im Gegenzug wird ihnen dann - eventuell! - die Gnade zuteil, dass ihr Standpunkt einer etwas objektiveren Betrachtung unterzogen wird?
"Tja", sagt Alex, "ENTWEDER mit den großen Jungs im medialen Haifischbecken plantschen - dann aber nicht quengeln! ODER zurück an den Herd, wie sie es in ihrem Machwerk als so erstrebenswert anpreist - und dann erst recht die Pappen halten!"
Das nimmt sich Britta jetzt leicht verschüchtert zu Herzen und sagt lieber nix.
"Ist doch wahr!" brummt Alex schließlich.
"Ja, Schatz...wenn du es sagst..." seufze ich... :-/
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vor 7 Monaten