Samstag, 27. März 2010

Proudly featuring: Isabell

Tja-ha! Ich weise ja immer gern darauf hin, wen oder was ich so lese - normalerweise lasse ich es aber bei Auflistung in meiner Blogroll oder bei begeisterter Erwähnung bewenden. 
Aaaber...  Isabell ist etwas besonderes. Finde ich.
Die Kleene marschiert nämlich gerade im Stechschritt durch ihr Leben: Outing bei den Eltern - Aufnahme der Behandlung - Bewerbung am Gymnasium.
Und das ganze mit gerade mal 17 Jährchen - selbst meine Katze ist älter (wird übrigens am 4ten April 19!).
Und wie sie das macht (Isabell - Nicht die Felidin!) ist sooo tapfer... und sooo ambitioniert. Toll.
Und gestern - ja gestern... hat sie die Benachrichtigung bekommen, dass sie einen Platz am Gymnasium ergattert hat!

Yeeee-haw! 
Herzlichen Glückwunsch, Lütte!! 
War klar, dass du das packen würdest. *strahl* 

Und auch, wenn ich ja so gar keinen Anteil an deinen Leistungen habe - ich bin echt stolz auf dich!
Alles, was du tust, tust du auch für uns alle! :-)))


Ach - "aufgegabelt" habe ich sie übrigens bei Ravel - der ist nur wenig älter und auch ziemlich gut dabei! Lese ich immer wieder gern!
Die zwei (oh - und Cornelia natürlich!) sind der Grund, warum ich selbst auch glatt noch mal mit plus/minus 20 antreten würde... Ach Quatsch... Ich hab's ja eigentlich auch ganz gut getroffen! ;-P

Samstag, 20. März 2010

Seeräuberjenny

- und kein Schiff mit acht Segeln in Sicht ...

Der sechste Teil, in dem ich zu zeigen versuchen will, dass das Leben natürlich nicht NUR furchtbar war. Dazu bedarf es vielleicht einer genaueren Schilderung der Lebensumstände und des daraus resultierenden Lebensgefühls.

O Timmendorf, bleiche Mutter... Für alle Nicht-Norddeutschen und sonstigen Ostseevermeider, denen der Name so gar nichts sagt, sei erwähnt, dass es sich um ein in Ostholstein an die Lübecker Bucht gekuscheltes verschlafenes Nest handelt, in dem nur während der Badesaison so etwas wie intelligentes Leben möglich ist: Kaum hat nämlich der letzte Tourist diese entlegene Weltgegend verlassen, schliessen 75 % der Läden, fast die gesamte Gastronomie und das, zumindest damals, einzige Kino der Umgebung.
Mich wunderte immer, dass man dem Kaff nicht gleich einen großen Schonbezug überstülpte - "tote Hose" kam jedenfalls schon fast einem Euphemismus gleich.
Direkt durch Timmendorf (eigentlich Timmendorfer Strand) nietet der 54° 00' Grad nördlicher Breite, was die Eingeborenen mit Stolz und tiefer Befriedigung erfüllt, weshalb man diesem bedeutsamen Umstand mit einem Messingband, das sich quer durch den Ortskern zieht, Rechnung trägt.
In den Blickpunkt der Weltöffentlichkeit geriet diese beschauliche Gemeinde nur einmal, im Frühjahr '45, als das Meer etwa 800 Leichen an den Strand spülte, die anläßlich der Versenkung der Schiffe "Cap Arcona" und "Thielbeck" fünf Tage vor Kriegsende in der Lübecker Bucht den Tod gefunden hatten.
Die Timmendorfer versuchten vergeblich, Kurtaxe zu erheben.

Hier nun rief nach Kriegsende die evangelische Kirche das einzigartige Bildungsinstitut ins Leben, in dem Britta, wie 15 Jahre früher ihr Halbbruder (was sie allerdings erst ewig später erfuhr - aber das ist eine andere Geschichte), von der Schulversagerin auf stromlinienförmig-erfolgsorientiert umfrisiert werden sollte.
Ursprünglich war es, mit eigener Schule in privater Trägerschaft, besonders für Kriegs- und Flüchtlingskinder gedacht, später wurde es dann mehr zu einer Art Wohnheim mit Hausaufgabenbetreuung direkt neben dem Ostseegymnasium, dass das Land Schleswig-Holstein dazu vorgesehen hatte, auch die Gören der Rapsbauern, Fischer und Pensionswirte der Region mit so etwas wie Bildung zu versehen.
Das Internat stellte rund ein Drittel der Schülerschaft, war relativ preiswert und ohne jeden elitären Ruf, so dass die Belegschaft etwa zur einen Hälfte aus Problemkindern, zur andern aus Kids bestand, die aus den unterschiedlichsten praktischen Gründen in fremde Obhut gegeben werden mußten.
Der abgelegene Standort und die widrigen Bedingungen außerhalb der Saison führten dazu, dass das Kollegium der Schule zu einem nicht unerheblichen Teil aus skurilen Persönlichkeiten bestand, von denen nicht wenige schon die eine oder andere Strafversetzung hinter sich hatten, oder nach dem Krieg da irgendwie hängengeblieben waren.
So richtig freiwillig - so schien es jedenfalls - war eigentlich niemand da: Die Eingeborenen nicht, nicht die Lehrer - und wir Internatler schon mal rein gar nicht!
Im Winter hatte das ganze Setting in etwa den Charme einer sibirischen Strafkolonie.

Lustig war es irgendwie schon: Wir hatten einen Erdkundelehrer, der eigentlich nur von Weltgegenden erzählte, die er mit der Wehrmacht bereist hatte, und gern detailreich und blumig schilderte, wie er dreier Finger, eines Teils seiner Schädeldecke nebst einer Hinterbacke verlustig ging, weil er seine Handgranate zu spät geworfen hatte, eine Geschichtslehrerin, die uns ergriffen Lauschenden (Hey! - das hatte wenigstens am Rande irgendwie mit Sex zu tun!) zur Traumabewältigung ihrer Massenvergewaltigung durch die Rote Armee missbrauchte, und einen Chemielehrer, der nicht nur eines Tages den Chemiesaal komplett entglaste, weil er die Herstellung von Nitroglyzerin demonstrieren wollte, sondern auch der besseren Anschaulichkeit halber aus gutem Grund schwer erhältliche Chemikalien wie metallisches Arsen oder roten Phosphor durch die Reihen gehen ließ und sich jedesmal wunderte, wie flüchtig doch selbst feste Stoffe sein konnten, wenn sie nur giftig oder gefährlich genug schienen.
Dann war da noch der Englischlehrer, stets bedroht von der dann dritten Disziplinarmaßnahme, die die entgültige Entfernung aus dem Dienst bedeutet hätte, weil er gern mal mit seinem schweren Schlüsselbund warf oder Schülern die Nase blutig schlug.
Und natürlich mein ganz persönlicher Favorit: Der Lateinlehrer, dessen beispielloser Sadismus es ihm notwendig machte, sich alle straßenseitigen Fenster vermauern zu lassen, weil er es irgendwann leid war, ständig die Scheiben zu ersetzen, die die Schüler ihm einwarfen.
Klein, dicklich und mit Käpt'n-Bünting-Bart stand er der "Segelgilde" vor, einer Art AG, die über eine kleine Flotte Boote verfügte, die unten am Strand im "Segel-Käfig" wohnten.
Segeln allein wäre natürlich lustig gewesen, in der Gilde zu sein bedeutete aber, wöchentlich an einem Konditionstraining teilnehmen zu müssen, das jeder Ledernackeneinheit zur Ehre gereicht hätte.
Wurde man beispielsweise beim Rauchen erwischt, lautete das Urteil meist "Tadel oder einmal Konditionstraining".
Britta wählte nur einmal letzteres, wurde erbarmungslos geschliffen und akzeptierte von da an lieber willig den Tadel.
Im Unterricht herrschte blanke Angst, weil der Pauker nicht nur mega-streng war, sondern sich auch jedesmal ein-zwei Opfer aussuchte, die er verbal drangsalierte. Die Mädels litten besonders unter permanenten, aber leider nicht wirklich justitiablen Schlüpfrigkeiten: Bettina beispielsweise klang bei ihm immer wie Bett-Ina, Susanne wurde zu Sus-Anne (Sus = lat. Schwein).
Gab es keinen Namen zu verballhornen, griff er auf vermeintliche intellektuelle Defizite oder körperliche Unzulänglichkeiten zurück. Mir unvergesslich: "Regina - mit Ihnen möchte ich mich heute über ... Formen unterhalten... Und auch die ... Stellungen sollen dabei nicht zu kurz kommen!" ... Har-Har...
Britta lernte bei ihm nicht nur jede Menge Latein, sondern auch, dass es ganz schön doof ist, Frau zu sein.
Jedenfalls, so lange es solche Drecksäcke gibt. Und dass man sein rhetorisches Schwert nicht nur schleifen, sondern auch gleich noch vergiften kann.
Neben all den Mumien, Monstren, Mutationen hatte es schon auch ein paar nette Referendare und andere eher unauffällige Gutmenschen, die wohl einfach keinen attraktiveren Arbeitsplatz gefunden hatten.
Und wenn das alles vielleicht erst mal furchtbar klingen mag - dieses skurile Panoptikum von Lehrerschaft bot auch hohen Unterhaltungswert - langweilig war es jedenfalls nie.

Im Sommer gings - der Stand war schon schön. Auch wenn ich nicht gern badete - ich hätte dazu ja das T-Shirt ausziehen müssen. Wenn wir nicht baden konnten oder durften, vertrieben wir uns die Zeit damit, ein Opfer zu suchen, dass wir dann bis zum Hals eingraben und seinem Schicksal überlassen konnten. Besonders begehrt waren da die bedauernswerten Zeitgenossen, die die damals beliebten "Bay-City-Roller-Hosen" - Jeans, die am Hintern knalleng, dafür am gesamten Bein superweit waren - trugen: die konnte man prima mit Sand befüllen, bis sie, prallen Würsten gleich, ihren Träger vollkommen bewegunslos machten, weil wir sie sowohl unten, wie auch am Bund mit Bändseln verschnürten, die man nur mit einer Schere wieder aufkriegte.
Lustig. Sehr. So lange man nicht selbst den "Zombie" abgeben mußte - so schleppte man sich nämlich dahin, wenn es einem überhaupt gelang, auf die Beine zu kommen. 

Direkt hinter dem Internat verlief eine Umgehungsstraße, dahinter lag ein wunderschöner Wald - teilweise fast undurchdringlich verwuchert, teils mit uralten Buchen bestanden. Im Dickicht bauten wir aufwändige Höhlen, was natürlich streng verboten war, weil wir da auch immer Feuer machten.
Auf der Abbruchkante der an dieser Stelle weiter im Landesinneren verlaufenden Steilküste gab es Ruinen, die von einer ehemaligen Flakstellung stammen sollten. Den Hang hinab führte, Gerüchten zufolge, ein Geheimgang, der mit dicken Mauerwerksbrocken verfüllt war und von dem die Fama ging, dass die Nazis da Waffen und Munition vergraben hätten.
Generationen von Internatlern hatten sich da schon die Finger wundgebuddelt - wir natürlich auch. Nicht, dass wir je auch nur einen Uniformknopf gefunden hätten - aber Spaß machte es trotzdem, weil es natürlich auch verboten war.

Bei solchen Gelegenheiten kam noch am ehesten Hanni-und-Nanni-Feeling auf.

Ich verbrachte viel Zeit allein im Wald. Bewaffnet mit Decke und Buch zog ich mich in den Buchenwald zurück, wo ich eine kleine Lichtung kannte, an der stundenlang keine Menschenseele vorbeikam.
Stille. Absolute Stille. Und besonders, wenn die himmelstürmenden silbergrauen Säulen frische, grüne Blätterkronen trugen, ein grün-goldenes Licht, dass man so nur in alten Laubwäldern findet.

Sääähr aufregend auch, weil am aller-aller-verbotensten: das "Aussteigen". Nachts waren die Häuser abgeschlossen - es galt also, sich die Zwergenbelegschaft eines Unterflurzimmers mit Bestechung gewogen oder durch Einschüchterung gefügig zu machen, so dass das Fenster geöffnet und die Schnäbel geschlossen blieben, abzuwarten, bis unser Erzieher durch den reichlichen Genuß von "Underberg" (DAS Frauengold für den Mann, quasi!) hinreichend stramm vor Anker lag, um dann leise hinauszuhüpfen.
Raus ging es recht locker, weil es von der Brüstung bis zur Erde lediglich zwei Meter waren - rein war schwieriger: Räuberleiter, den letzten hievte man mit vereinten Kräften hinauf. Alles natürlich so leise als möglich, weil der Erzieher wohl nur mit den Posaunen des jüngsten Gerichts wiederzuerwecken gewesen wäre, seine Frau, die der Internatsküche vorstand, hingegen Ohren wie ein Luchs hatte.
Ohne die Haarpuschel an den Spitzen natürlich.
Manchmal wanderten wir nur am nächtlichen Strand umher - gelegentlich ließen wir uns aber auch von den örtlichen Päderasten in irgendeiner Spelunke, deren Wirt unser jugendliches Alter Wurst war, freihalten. Mehr oder minder beschwipst UND leise zurückzukraxeln war eine echte Herausforderung - wurde man erwischt drohte sofortige Relegation.
Die freundlichen Päderasten von nebenan taten nicht viel mehr (jedenfalls kamen mir keine weitergehenden Geschichtchen zu Ohren), als uns abzufüllen oder mit sinnlosem Krams zu beschenken; ich fand es trotzdem eklig - deshalb blieb es für mich eine einmalige Erfahrung.

War es zur Zeit meines "Strafantritts" noch recht schwierig, Aufnahme zu finden, blieben dem Internat jetzt langsam die Interessenten weg - Abgänge konnten nur noch selten ersetzt werden.
Das "Haus an der Timme" schlossen sie zuerst, dann mußte die "Abteilung Würz", in der die Jüngsten sonderbehandelt wurden, dran glauben - und schließlich zog "Fräulein Mahlzahn" murrend und knurrend mit all ihren verbliebenen Prinzessinnen aus dem "Mädchenhaus" in die untere Etage des "Neuen Jungenhauses" - sie bestand natürlich auf nagelneuen Sicherheitsschlössern und installierte gewiss heimlich zusätzlich Sprengfallen und Selbstschußanlagen.
Fast alle Oberstufenschüler wurden nun auch im "NJH" konzentriert, weshalb bei uns im Oberflur allerhand Zimmer vakant wurden - Britta gehörte zu den Gewinnern dieser Reise nach Jerusalem und mußte sich jetzt nur noch mit einem, statt mit fünf doofen Jungs herumplagen.

Etwa um diese Zeit muss ich zum ersten Mal über den Begriff "Transsexualität" gestolpert sein. Bis dahin war mir nur "Transvestit" und - als Schimpfwort - "Tunte" geläufig. Das schienen aber Männer zu sein, denen es Spaß machte oder ein Bedürfnis war, sich als Frauen zu verkleiden - ich fühlte mich eigentlich eher als Mann verkleidet.
Nun hörte ich von Menschen, die als Männer nach Casablanca flogen, dort all ihre Ersparnisse ließen und dann als Frau zurückkehrten. Oder zumindest als etwas ähnliches.
Die OP-Technik steckte in den Kinderschuhen und die Ergebnisse waren wohl entsprechend.
Meine Reaktion war zwiespältig: Einerseits eröffnete das ganz neue Optionen - man konnte also tatsächlich sein körperliches Geschlecht wechseln! Ufff... Mann-Sein war kein unabänderliches Schicksal??
Andererseits bedeutete es große finanzielle Opfer, Schmerzen, Risiken, unbefriedigende Ergebnisse - und vor allem: ein Leben im gesellschaftlichen Abseits. Fast alle "anderen Frauen" landeten offenbar über kurz oder lang im Rotlicht-Milieu, wenn sie nicht da schon das Geld für ihre OP zusammengespart hatten.
An Informationen zu kommen, war mehr als mühsam. Was sich heute problemlos an einem Nachmittag im Netz recherchieren läßt, bedeutete damals endloses Herumsuchen in Bibliotheken und peinliches Herumgefrage.
Was ich herausfand, entsetzte und entmutigte mich. So wollte ich nicht leben. Ich wollte kein Freak ohne bürgerlichen Job und ohne Familie werden, wollte nicht tagsüber das Gespött der Leute sein und des Nachts Gefahr laufen, totgeschlagen zu werden wie ein herrenloser Hund.
Ich verstärkte meine Bemühungen, diese "unselige Veranlagung", diese "unerklärliche Perversion" loszuwerden, oder doch zumindest so zu kaschieren, dass man mich nicht mehr "Jenny" rief (leitete sich teilweise auch ganz unschuldig von "Jani" ab - ich hieß Jan); ich war es auch leid, die "Maus" zu sein, die man zwar fürchtete, weil sie zunehmend schmerzhaft beißen konnte, aber trotzdem nie wirklich ernst nahm.
Ich hätte so gerne irgendwo dazu gehört, aber all meine Bemühungen verstärkten nur den Zwiespalt - ich begann mich zu hassen.
Ich haßte mich für meine Unzulänglichkeit, für meinen Mangel an Mut, für meine Verschlagenheit, die Verlogenheit und die Skrupellosigkeit, mit der ich die Schwächen anderer aufdeckte und mitleidlos für meine Zwecke nutzte.
Und ich haßte meine "Geschlechtsgenossen" - so sehr, wie ich sie fürchtete.
Das waren die "Feinde"... ALLE Männer waren Feinde - Feinde, unter denen ich leben mußte, denen ich eigentlich nicht gleich werden wollte, es aber zu müssen meinte.

In der Schule lasen wir die "Dreigroschenoper" - und ich empfand tiefes, fast schwesterliches Mitgefühl für die Seeräuberjenny.
Und wenn das Schiff mit den acht Segeln und den 50 Kanonen an Bord unseren Strand angelaufen hätte, mich retten zu kommen... Und wenn sie mich gefragt hätten, wen sie töten sollten... Dann hätte Jenny "ALLE!" geantwortet. Wie aus der Pistole geschossen. Das ist jedenfalls mal sicher!

Ein Jahr später drohte dem Internat die Schließung, ich hatte mich inzwischen schulisch saniert und durfte deshalb nach Abschluß der Zehnten heim.

Britta packte also glücklich ihre Siebensachen und verließ den Ort ihrer Verbannung um viele Erfahrungen reicher, -zig Illusionen ärmer, als hervorragende Schauspielerin und mit allen Wassern gewaschene Soziopathin.

(Hmpf... ich war eigentlich wild entschlossen, diesmal nur die positiven Aspekte, die lustigen und wirklich lehrreichen Seiten herauszustreichen - nun ist das schon wieder so eine dramatische Jammernummer geworden. Pfff... vielleicht krieg ich ja im nächsten Teil die Kurve!)

Schnell noch ein wenig Bratzen-Lyrik:

Hochmut

Ich mag den Hochmut
– vor dem Fall,
ich mag den Stolz,
wenn er sich regt.
Und ich mag Würde,
dann zumal,
wenn man sie
Stück für Stück ...
so peu à peu ...
zu Markte trägt. –

Britta/'92

(viel später und eigentlich in ganz anderem Zusammenhang geschrieben - paßt aber irgenwie, find ich...)


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Dienstag, 9. März 2010

Transamerica!

Kürzlich stieß ich bei Bad Hair Days (Danke, Sarah!) auf ein YouTube-Link zu einem Film, den ich schon seit Monaten sehen wollte - ein Roadmovie mit Felicity Huffman (genau, Mädels: Lynette Scarvo von den verzweifelten Hausfrauen!) in der Hauptrolle.


Die spielt, obschon so biologisch Frau, wie man es überhaupt nur sein kann, die Transidente Bree, die, eine Woche vor ihrer langersehnten OP, überraschend einen Anruf von dem 17-jährigen Toby bekommt, der nach "Stanley" fragt und bekundet, dass der sein Vater sei.
Bree rechnet fix zurück und fällt fast tot um: Als sie noch "Stanley" war, hatte sie zu Collegezeiten eine flüchtige Affäre, die offenbar nicht gänzlich ohne Folgen blieb.
Sie behauptet, "Stanley" sei unbekannt verzogen und erfährt, dass Toby sich in New York in Jugendhaft befindet und dringend Hilfe benötigt.
Als sie später ihrer Therapeutin davon berichtet, verweigert diese ihr zu ihrem Entsetzen die endgültige Genehmigung ihrer OP - es sei denn, sie stelle sich ihrer Vergangenheit.
Bree jettet nolens-volens von LA nach New York, löst dort ihren Sohn aus, der sich als ziemlicher Desperado mit Drogen- und Stricherfahrung entpuppt, kauft einen klapprigen Wagen und begibt sich mit ihm auf eine abenteuerliche Fahrt quer durch die Staaten zurück nach LA.
Bree verschweigt sowohl ihre Transidentität, als auch die Tatsache, dass sie in Wahrheit sein Vater ist, will sich der unangenehmen Pflicht so schnell als möglich entledigen und den Jungen unterwegs bei seinenm Stiefvater absetzen und gibt sich als Missionarin aus, die das verlorene Schäfchen zurück auf den rechten Weg führen will.
Ihr Sohn hingegen, streetwise wie alle Straßenkinder, sieht in ihr nichts als eine etwas wunderliche Dame, die ihn nicht nur aus dem Gefängnis befreit, sondern ihn auch umsonst in der Gegend herumkutschiert...

So weit der Plot - ich mag nicht den ganzen Film erzählen, weil die ein oder andere ihn vielleicht selbst noch sehen möchte.
Nur so viel noch: Das ungleiche Paar kommt sich unterwegs näher. Und Bree muss sich den Dämonen ihrer Vergangenheit stellen.
Oh - aber sie schafft es gerade noch rechtzeitig zu ihrer OP! ;-)

Ich sah den Film nun zwar nur in YouTubes Mäusekino (für den Vollbildmodus ist mein Läpchentöpchen einfach zu schmalbrüstig) und in zehn einzelnen Teilen. Und war doch gottfroh darum, weil ich in den Pausen immer wieder um Fassung ringen und meine Sicht klären konnte - hinterher sah ich trotzdem aus wie ein verheulter Frosch.
Nie, wirklich noch nie habe ich die Ängste und Nöte, die Unsicherheit und den verzweifelten Mut Transidenter filmisch so überzeugend, so ergreifend verkörpert gesehen wie von Felicity Huffman, die für ihre atemberaubende Leistung mehr als zu Recht für den Oskar nominiert wurde.

Auch ohne Gender-Thematik wäre dies ein wunder-wunderschöner Film über Eltern und Kinder, Liebe und Enttäuschung, Mut, Verzweiflung und Hoffnung - und natürlich ein großartiger Vertreter des Genres "Roadmovie", den ich wirklich nur uneingeschränkt empfehlen kann.

Und als ich, während Bree schon im Vorraum zum OP-Saal liegend, noch einmal so schüchtern und sanft - wie Abschied nehmend - nach dem tastete, was sie nach der OP nie wieder in dieser Form vorfinden würde, wie ein Schloßhündchen heulen mußte, fiel mir "My Sex" von Ultravox ein...
Nun habe ich es naturgemäß eigentlich nicht so mit "Oden an die Hoden" - Dennoch: Das ist das schönste Glied-Lied, das ich kenne. Und eine sehr poetische, persönliche Beschreibung von Sexualität. Aber hört selbst:




















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Sonntag, 7. März 2010

Standortbestimmung

- zumindest ein zaghafter Versuch ...

Dies ist eigentlich gar kein eigenständiger Beitrag - sondern lediglich ein Kommentar zu diesem Artikel, den ich gestern bei Diana las.
Weil es aber um ein Thema geht, dass mich gleichfalls heftig umtreibt, poste ich ihn auch in meinem eigenen Blog.

Bei der Gelegenheit möchte ich betonen, dass mein Blog eigentlich nie so stark um das Thema Transidentität kreisen sollte. Und schon gar keinen Anspruch auf "politische Bildung" erheben will - ich bin nämlich eigentlich einfach Britta, ein ziemlich normales Menschenkind mit einem ziemlich durchschnittlichen, normalen Leben. 

Aber eben ganz zufällig transident - was immer wieder zu Erklärungsbedarf führt. Nützt ja nix ... :-/

Oje ... was Ihr da an Argumenten ins Feld führt, kann ich, die ich mich wie Ihr mit der Materie weit über das populärwissenschaftliche hinaus auseinandergesetzt habe, gut nachvollziehen.
Der Normalbürger hingegen versteht, wenn er "sexuell" hört, "EROTISCH" - und sonst gar nichts. Für mich (und für Euch vermutlich ganz genau so) hat mein Trans-irgendwas-sein aber nichts, null-komma-nichts mit Erotik oder was auch immer zu tun. Und ich will auf gar keinen Fall mit wie auch immer gearteten sexuellen Deviationen in einen Sack! Meine sonstigen Absonderlichkeiten (und wahrlich! Da hab ich so einiges!) sind nämlich eine vollkommen andere Baustelle.
Ich könnte mich gerade noch so eben mit "transGESCHLECHTLICH" anfreunden - das Wort bietet die deutsche Sprache immerhin -, obwohl es meiner unmaßgeblichen Meinung nach wirklich weit mehr um Identität, denn um rein Körperliches geht.

Der Fisch stinkt doch eh vom Kopf her: TRANS ist doch die Crux. "Trans" impliziert eine Bewegung von-nach. Und bei mir bewegt sich gar nichts: Ich habe eine weibliche Hirnstruktur. Und einen männlichen Körper. Punkt.
Dass wir an unseren Körpern ÜBERHAUPT herumfieseln, ist doch ein neuzeitlicher Bonus: In früheren Zeiten hätten wir uns gerade mal selbst den Schwanz abschneiden können (ist ja wohl auch oft genug passiert)! Bei den indigenen Völkern (übrigens längst nicht bei allen), die immer wieder gerne verklärt Erwähnung finden, ging es nie um den Körper - Menschen wurden da nach ihren Bedürfnissen und Fähigkeiten verortet. Die trugen dann eben die Kleidung des "Wunschgeschlechts", übernahmen die entsprechenden Tätigkeiten und fertig!

Am ehesten kann man doch unsere Befindlichkeit als "einhäusig-zweigeschlechtlich" bezeichnen - und das ist keine Störung (was immer die Psycho-Faschisten auch behaupten mögen), sondern einfach eine Prädisposition, die es gilt, lebbar zu machen.
WENN sich allerdings tatsächlich mal die Auffassung durchsetzen sollte, dass wir nicht krank, sondern allenfalls ... speziell sind - werden wir uns wohl jemand anders suchen müssen, der all unsere Hormone und OPs bezahlt. Warum sollte eine Krankenkasse, mithin die Allgemeinheit, das dann noch tun?? Zillionen Menschen sind mit ihren Phänotyp unzufrieden - weil sie sich zu dick, zu klein, zu kahlköpfig oder kleinbrüstig finden. Schön! Ist zwar teuer - KANN man aber etwas gegen tun. Das zahlen die dann allerdings schön brav aus eigener Tasche.
Wir sollten also vielleicht ein wenig vorsichtig sein mit dem, was wir uns wünschen ...

Aber zurück zu dem mMn völlig hirnrissigen "trans" - findet denn wirklich so etwas wie eine Transition statt? Ist das nicht nur - zugegebenermaßen notwendige - Staffage? Reine Kosmetik? Ändert sich irgendetwas an den natürlichen Gegebenheiten, mit denen wir auf diese Welt gekommen sind? Jede verdammte Zelle unseres Körpers weist, einem Kainsmal gleich, das verdammte Y-Chromosom auf (Trans-Männer mögen sich alles, was ich hier so absondere, spiegelverkehrt vorstellen) - wenn man von den paar haploiden Keimzellen absieht. So wir denn noch welche haben.
Mal ehrlich, Mädels: Und wenn wir uns das noch so eifrig einzureden versuchen mögen, Homone fressen, bis der Doktor kommt und uns operativ aufpimpen lassen wie durchgeknallte Super-Models - wir werden NIE einfach nur "normale" Frauen sein!
Selbst die glücklichen unter uns, die so rechtzeitig mit ihren Bedürfnissen wahr- und ernstgenommen worden sind, dass sie eine relativ lückenlose weibliche Sozialisation genossen haben und um die ünerwünschten pubertären Auswirkungen herumgekommen sind, menstruieren nicht, werden nicht schwanger, kommen auch nie in eine natürliche Menopause. Da wird ein Leben lang auf Teufel komm heraus substituiert. Künstlich zugeführt, was eine halbwegs weibliche Erscheinung garantiert, auf dass unsere hartleibig am Dimorphismus sich festkrallende Gesellschaft sich an der Nase herumführen lassen möge.
That's it: Schöner Schein, ebenso kosten- wie risikointensiv aufrechterhalten (gibt es eigentlich Zahlen, wie viele von uns auf OP-Tischen verreckt, an Komplikationen eingegangen oder schließlich Thrombosen, Karzinomen und Leberschäden erlegen sind??), damit man uns endlich fühlen, denken und handeln läßt, wie es unserer Hirnstruktur entspricht!

Bei den Intersexuellen (da ist es wieder - dieses völlig irreführende, dämliche Wörtchen!) ist alles noch mal komplizierter, weshalb es da auch einige gibt, die darauf bestehen, "Zwitter" genannt zu werden. Weil sie sich nicht damit abfinden mögen, sich auf männlich oder weiblich festnageln zu lassen oder gar (wie leider immer noch üblich!) schon als Kleinkinder nach Gutdünken von Eltern und Medizinern "zurechtgeschnippelt" zu werden. Auch bei denen hat es es ja einige, die trotz auf ersten Blick normalem XX- oder XY-Genotyp körperlich uneindeutig auf die Welt kommen. Sind wir also vielleicht ALLE "zwischengeschlechtlich"?
"Bio" jedenfalls sind wir allesamt. Bio-Frauen (auch so ein kackendoofes Wort, dass ich mangels vernünftiger Alternativen gelegentlich widerstrebend benutze), Bio-Männer ... und eben Bio-Zwitter??
MEINE Identität mag auch von meinem Körper und seinem spezifischen Empfinden mitgeprägt sein - in erster Linie wohnt die allerdings zwischen meinen Ohren. Und das schon immer - niemand hat die da hinein trans-portiert! Biologischer gehts nimmer.
Meinen Körper trans-portiere ich nun allerdings so weit als irgend möglich von A nach B - nicht aber gleich auch noch meine Sexualität, die, wie gesagt, auf einem völlig anderen Blatt steht.

Also ...  was bin ich denn jetzt bloß?? Eine Hirn-Frau? Mit Körper-Mann? Ist mein Mann eine Körper-Frau mit Hirn-Mann?
Alex hat in seiner Not mal den Begriff "Außenfrau" erfunden, die den "Innenmann" umhüllt - treffender habe ich das noch nicht zu formulieren vermocht.
Wie dem auch sei: Ich denke, dass unserer Umwelt der Begriff "transident" klarer zu vermitteln ist als "transsexuell", egal, was die Psycho-Hanseln damit ausdrücken wollen - zuhause fühle ich mich aber weder hier noch dort.
Vielleicht gelingt es uns ja irgendwann, ein wirklich passendes Wort zu erfinden! Eines, dass uns nicht von Wissenschaftlern, die uns wie seltsame Insekten studieren, übergestülpt worden ist.

Im Übrigen - aber das ist eigentlich ein ganz eigenes Thema, das ich bei Gelegenheit ausführlicher zu beackern gedenke  - springen wir eh zu kurz: Was UNS nämlich das Ausleben unseres Empfindens in ganz vielen Aspekten so schwer macht, läßt sich mühelos auf die in dieser Gesellschaft immer noch bestehende Ungleichbewertung der Geschlechter herunterbrechen. Die Grenzzäune sind ja nur deshalb so hochgezogen, so schwerdurchdringlich, weil es um MÄNNER-Pfründe geht.
Was UNS unglücklich macht, betrifft in gewisser Weise ALLE Frauen!

Jedenfalls beabsichtige ICH, murrend und knurrend zwar, weil in Ermangelung eines noch zu prägenden Begriffs, lieber weiterhin dem Fähnchen "Transidentität" hinterher zu dackeln, als mich mit dem Branding "transsexuell" als sexuellen Freak abstempeln zu lassen.
Aber jede so, wie sie es mag.
Ich betone ausdrücklich, dass ich in keiner Weise zu werten beabsichtige - oder gar meiner persönlichen Ansicht irgendeine wie auch immer geartete normative Kraft beimesse!

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Mittwoch, 3. März 2010

Mimese und Mimikri

- wie Britta sich eine kleidsame Tarnkappe häkelte

Kapitel fünf - und noch kein Ende in Sicht. Ich würde gern mal wieder etwas "Tagesaktuelles" schreiben - geht aber nicht, weil ich das jetzt zu Ende bringen will. 
Ich label die verschiedenen Teile mit Kindheit/Jugend, damit man die nicht mühsam zusammensuchen muß und werde sie nachträglich wie versprochen bebildern ... wenn ich endlich mal zum Scannen und Bildbearbeiten komme.

Auf Stealth-Mission hinter den feindlichen Linien zu sein, erfordert Vorsicht, Einfallsreichtum und ein waches Auge, will man nicht verbrennen.
Das Wichtigste ist natürlich, nicht aufzufallen, Mimese also: Stein unter Steinen, Ast unter Ästen, Blatt unter Blättern sein - letzteres hätte Britta leichtfallen sollen, weil sie die meiste Zeit ohnehin wie Espenlaub zitterte.
Auffallen konnte man bei den seltsamsten Gelegenheiten, gerne natürlich, wenn man in Gedanken war - oder sich unbeobachtet glaubte.

Wie eines Nachmittags, als ich ungewöhnlicherweise das Zimmer für mich allein hatte, auf dem Bett lag und las.
Zu früh gefreut: Die Tür springt auf und einer meiner Zimmergenossen poltert herein. "Hey, Maus - hast du meine Fußballschuhe gesehen?" - "Hmpff ... nö ..." - Er beginnt unter großer Geräuschentwicklung in seinem Spind zu wühlen, findet schließlich das Gesuchte, betrachtet mich beim Hinausgehen flüchtig und meint: "Du liegst da schon wieder wie ein Weib." - Die Tür schließt sich mit männlich-grobmotorisch-lautem Knall - und weg ist er.
"Maus" bleibt erschüttert zurück und fragt sich verzweifelt, was denn JETZT schon wieder verkehrt ist.
Den Namen verdankte ich übrigens neben der Tatsache, dass ich so winzig war,  meiner damals bevorzugten Fortbewegungsart: Huschen. Flinkes Hin- und Herwuseln - immer in Bewegung bleiben. Jedenfalls nicht dieses gewichtige Schreiten wie auf den Planken einer Seeräuber-Bark, schwer an der Last realer oder imaginierter Bemuskelung tragend. Auch nicht das betont lässige Schlurfen, das die Absätze der Clogs (die wir damals alle trugen) im Handumdrehen zu papierdünnen Brettchen schliff. - Huschen eben.
Aber ich arbeitete bereits an einem halbwegs männlichen Gang.

Jetzt jedenfalls lag ich also mal wieder buchstäblich falsch - und mir wurde schmerzhaft bewußt, dass ich bei aller Sprachverliebtheit einen wesentlichen Aspekt - die Körpersprache nämlich - vernachlässigt hatte. Höchste Zeit für ausgedehnte Studien auf dem Gebiet geschlechtsspezifischen Gebahrens.
Erst mal eine kurze Bestandsaufnahme: Ich lag seitwärts hingegossen, auf den linken Ellenbogen gestützt, Buch in der linken Hand. Das rechte Bein hatte ich angewinkelt, den Fuß hinter die linke Wade gekringelt, die rechte Hand lag locker auf der Hüfte.
Hmm ... Sah das jetzt vielleicht irgendwie lasziv aus?? So à la "Playmate räkelt sich auf Eisbärenfell vor Kamin"?
Ich probierte andere Posen. Meine zweitliebste Leseposition - bäuchlings, auf beide Ellenbogen gestützt, Unterschenkel hochgeklappt - wirkte irgendwie auch nicht männlich-markanter.
Schwierig. Wie lagen die denn, zum Donner?? Ich beschloß, die Jungs besser zu beobachten.
Sitzen war auch so eine Sache. Saß ich zum Beispiel auf einem Sessel, dann klemmte ich mich in eine Ecke, die Knie zusammen. Oder zog die Beine an und legte das Kinn auf die Knie. Ich übte, wo ich schon alleine war, gleich mal das breitbeinig-Hinfläzen. - Huh ... ungewohnt. Auf Stühlen war's nicht besser: entweder auf der vorderen Kante balancierend, Hände neben den geschlossenen Schenkeln, Füße nach hinten, oder Knie zusammen, Füße nach außen und den Kopf in die Hände gelegt. Ich seufzte schwer. Das sah nach viel Üben aus. Hinsetzen, aufstehen, hinsetzen, Haltung überprüfen und korrigieren, aufstehen...
Puh. Gar nicht einfach, ein Junge zu sein.

Grund für meine hektischen Aktivitäten war auch die düstere Stimmung, in der ich mich seit meinem letzten "Heimaturlaub" befand.
Die meisten von uns - jedenfalls die, deren Zuhause in vertretbarer Nähe lag - fuhren jedes zweite Wochenende heim. Einige fuhren nur in den Ferien; ganz wenige, deren Eltern dauerhaft im Ausland oder gar tot waren, wurden selbst über die Ferien im Internat notversorgt.
Ich hatte es nicht weit - anderthalb Stunden mit dem Zug - so dass ich zu den Glücklichen gehörte, die dem Elend wenigstens alle 14 Tage entfliehen konnten.
Nach fast einem Jahr in Timmendorf war der Kontakt zu meinen alten Klassenkameraden bereits ziemlich eingeschlafen. Einem Plakat entnahm ich, dass im Gemeindehaus "Disko" sei, und beschloß, auf Verdacht dorthinzugehen.
Es war ziemlich voll, die Tanzfläche einigermaßen belebt, aber keiner meiner alten Kumpane schien da zu sein. Vom Sehen kannte ich den ein oder anderen. So auch die Gruppe Realschüler, die am Rand standen, die Tanzenden beobachteten und auch gelegentlich zu mir sahen, die ich da einsam und selbstvergessen vor mich hin tanzte.
Schließlich löste sich eine der übelbeleumundetsten Dorfmatratzen aus dem Grüppchen, näherte sich mir betont langsam mit wiegenden Hüften und baute sich vor mir auf. "Ich habe gerade einen Kasten Bier gewettet, dass DU pervers bist!" sagte sie, machte auf dem Absatzt kehrt, ehe ich etwas erwidern konnte und ging zu ihren wiehernden Stechern zurück.
Uff... Das hatte gesessen. Mir wurde richtiggehend schlecht, als wenn ich einen Schlag in die Magengrube erhalten hätte.
Verdammt! Diese verdammte Schlampe! Ich hätte mir gewünscht, der Erdboden würde mich verschlingen - oder besser natürlich erst mal sie! Weil natürlich keins von beidem geschah, sah ich zu, dass ich da raus kam.
Bloß schnell nach Hause ... und nicht das Flennen kriegen, so lange mich noch jemand sehen konnte.
Das mag jetzt ein wenig nach Drama-Queen klingen - andere mußten sich schließlich auch blöde Kommentare zu Aussehen oder Tanzstil anhören - aber die Vorstellung, enttarnt zu werden... und die meiner Ansicht nach damit verbundene Schande ... gehörte zu meinen schlimmsten Ängsten - noch weit vor Krankheit, Tod oder Schulversagen.
Ich hatte noch wochenlang daran zu beißen und wünschte der blöden Kröte Pest, Cholera und natürlich alle erdenklichen Geschlechtskrankheiten an den Hals.

Zurück im Internat fragte ich D., die mich auch schon hatte tanzen sehen, ob etwas mit meinem Stil nicht stimme. "Bisschen viel Hüfte, vielleicht", meinte die, "und Arme zu dicht am Körper."
Ah - dachte ich mir schon. Mal wieder zu feminin.
Ich übte heimlich, mochte seitdem aber nicht mehr wirklich tanzen, weil ich mich unfrei und angespannt fühlte, wenn ich mich so kontrollieren mußte.

Warum mir so schändlich vorkam, zu meiner Weiblichkeit zu stehen? Hmm ... In den 70ern knirschte es zwar schon mächtig im Gebälk der bis dahin festgefügten Rollenmodelle - dennoch kannte ich niemanden, der freiwillig hätte Frau sein mögen. Frausein hatte (neben all den Vorteilen, die aber offensichtlich nur ich sah!) jede Menge Nachteile, gesellschaftspolitisch wie auch ganz konkret im persönlichen Alltag.
Und Frauen taten gut daran, sich vor Männern in Acht zu nehmen. 

Ein Beispiel: T. war ein Klassenkamerad und einer der Mavericks - kein Genie, wenn auch nicht doof (ich war über seine durchaus respektablen schulischen Leistungen ja im Bilde), dafür ein Psycho, dessen bloße Anwesenheit sich einem die Nackenhärchen aufstellen ließ. Er sah ziemlich gut aus (blendend, um der Wahrheit die Ehre zu geben), war eine Sportskanone und trotzdem meist allein, weil er auf eine schwer erklärliche Weise furchteinflößend war. Als ich eines Abends in der Dämmerung vom Strand zurückkam, sah ich ihn mutterseelenallein an einen Baum gelehnt - um seinen Zeigefinger kreiste eine verdammt echtaussehende Knarre. Ich machte einen großen Bogen.
T. redete nicht viel - er schlug sofort und ohne Vorwarnung zu - da reichte schon ein falsches Wort oder ein schiefer Blick. Zweimal "Nase englisch" verdankte ich allein ihm - und war entsprechend überrascht, als er eines Tages mich und eine weitere Klassenkameradin zum Skatspielen einlud.
Weil er einen Hang zum Küchenpersonal zu haben schien, war er mit der 16-jährigen Küchenhilfe K. verbandelt, die noch bei ihren Eltern wohnte, wo er mit uns zu spielen gedachte.
M. (die Klassenkameradin) und ich waren nicht sonderlich scharf auf seine Gesellschaft, aber neugierig genug, die Einladung anzunehmen, fanden uns also zum verabredeten Zeitpunkt in K.s Elternhaus ein. Die führte uns in ihr Zimmer (fast schon eine kleine Wohnung) unterm Dach, wo T. bereits - ganz der Hausherr - auf dem Sofa thronte und uns Getränke anbot, die K. dann fügsam zu holen eilte.
Kaum war sie wieder da, fiel T. ein, dass er unbedingt Kaffee bräuchte - K. flitze brav runter in die Küche, um einen zu brauen.
Wir hatten angenommen, dass wir mit Kiebitz, also zu viert, spielen würden, wurden aber belehrt, dass K., das dumme Huhn, gar nicht Skat zu spielen wisse. Da sie auch sonst nicht viel zu unserer Unterhaltung beizutragen wußte, fühlte sie sich offenbar ein wenig deplaziert (und das in ihren eigenen vier Wänden!) und schaute unglücklich.
Ich kannte sie bislang nur in ihrer Küchenmontur, sah jetzt aber, dass sie auch privat nicht viel anders herumlief: Bluse, knielanger Rock, Puschen und - selbst für damalige Verhältnisse ungewöhnlich für eine 16-jährige - Kittelschürze: ganz die biedere, züchtige Hausmaus.
Nachdem T. sie schon so etwa viermal treppauf-treppab gescheucht hatte, gelüstete ihn nach einem Bier - und holla! - K. begehrte zum ersten Mal tatsächlich auf!
Sie war mit ihrer Aufzählung der bereits herbeigeschleppten Sachen noch nicht ganz fertig, als sie sich eine schallende Ohrfeige einfing, die ihr fast das Gesicht nach hinten drehte. K. brach sofort in Tränen aus und lief raus - M. und ich saßen stocksteif vor Entsetzen und erwarteten jeden Moment, ihren Vater hereinstürmen zu sehen, um T. und uns vor die Tür zu setzen.
Aber nichts dergleichen: K., von der wir beide angenommen hätten, dass sie zu beschämt oder sauer sein würde, um wiederzukommen, kehrte demütig und immer noch leise flennend mit dem Bier zurück...
Wir spielten die Runde noch zu Ende und verließen dann unter fadenscheinigen Entschuldigungen den Ort des Schreckens.
Draußen empörten wir, die wir zu feige gewesen waren, auch nur einen Finger zu rühren oder den Schnabel aufzumachen, uns wortreich.
Aufgeregtes und natürlich nicht im geringsten zielführendes Geplapper: man könnte, man sollte, wie erträgt sie bloß,  wie kann er nur ... Derweil K. drinnen vermutlich gleich noch was hinter die Ohren bekam - just for good measure oder weil sie ihm mit ihrer Renitenz den Abend verdorben hatte.
Jedenfalls versah sie Tags drauf ihre niederen Arbeiten mit üppig blühendem Veilchen; nicht zum ersten Mal: wir hatten sie schon öfter mit blauen Flecken oder zugeschwollenen Augen gesehen und natürlich vermutet, dass T., und nicht etwa die glitschige Treppe oder der verirrte Schneeball der Grund dafür sein möge.

Mich beschäftigete dieses Erlebnis nachhaltig: Ich schämte mich für ihn, der uns in diese peinliche Situation gebracht und sein Mädchen vor unseren Augen geschlagen hatte; für sie, die das mit sich geschehen ließ, anstatt ihn achtkantig aus ihrem Zuhause zu kegeln, weil sie offenbar keinen Funken Stolz mehr im Leib hatte - und natürlich für mich, die ich nicht genug Arsch in der Hose hatte, nicht genügend Solidarität aufbrachte, Partei für sie zu ergreifen und dem Kerl zu sagen, was ich von derartigem Verhalten hielt.

Ich schämte mich aber auch, weil er fortan durch meine schon fast erotischen Träume geisterte - der erste Mann, der seit meinem Vater so weit in mein Unterbewußtsein vorgedrungen war. Gleich diesem hatte er pragmatisch, äußerlich ungerührt und aus "erzieherischen" Gründen gestraft.

Ich wollte ja eigentlich gar keinen Mann. Und so einen Mistkerl gleich mal gar nicht. Oder etwa doch??
K. verließ ihn ja nicht - wie sehr er sie auch quälte.
War das Hörigkeit? Oder gab er ihr etwas - Halt vielleicht? Orientierung? Oder ganz besonders tollen Sex? - was die Demütigungen und Schläge wert war? - Ich fand das ziemlich verwirrend.
Eines jedenfalls schien klar: Käme jemals heraus, dass ich in Wirklichkeit gar kein Mann war - quasi unter falscher Flagge segelte ... ich liefe vielleicht Gefahr, so zu enden, so behandelt zu werden wie K., die da ja irgendwie statt meiner zum Opfer wurde...
Sehr verquere Gedanken damals - ich litt tatsächlich eine Weile unter der seltsamen Vorstellung, dass sie und andere nur leiden müßten, weil ich mich entzogen hatte, mich in einem Jungenkörper verborgen hielt.

... Ist selbst heute nicht leicht für mich in Worte zu fassen.

"Nicht auffallen!" wurde mein Mantra, meine Mimese machte Fortschritte, und verbunden mit der zumindest rhetorischen Mimikri (wirklich körperlich gefährlich zu erscheinen war dann doch ein Ding der Unmöglichkeit) entstand eine Art Kunstfigur, ein Avatar, mein "Außenmann", der mir das Überleben in eigentlich lebensfeindlicher Umgebung gewährleistete.

Nicht auffallen - um jeden Preis.

Um den Preis körperlich-mentaler Einheit zum Beispiel. War ich früher bei allen inneren Widersprüchen doch irgendwie eins - ein Ganzes -, so ging jetzt ein schmerzhafter Riß durch meine Persönlichkeit.
Ein Riß, der, sich stetig verbreiternd, den Außenmann immer weiter von dem inneren kleinen Mädchen entfernte. Das klein blieb ... weil es sich, unterdrückt und weggesperrt,  nicht fortentwickeln konnte.

Mein inneres Kellerkind: blasser mit jedem Tag, anämischer ...
- und doch nicht totzukriegen.

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Montag, 1. März 2010

Allein unter Männern

- kleiner Leid(!)faden transidenter Überlebensstrategien  

Das vierte Kapitel - ich staune ein wenig, wie viel da plötzlich wieder hochkommt, wenn man erstmal im Flow ist.
In den lediglich zweieinhalb Jahren, die ich auf dem Internat verbrachte, drängt sich allerdings auch vieles, was mich ziemlich stark geprägt hat.

Zuhause gab es ja nun seit drei Jahren einen neuen Mann an meiner Mutter Seite. Und meinen Vater mußte ich auch gelegentlich besuchen. Sonst ging ich Jungs, wenn irgend möglich, aus dem Weg. Ich hatte wohl immer so zwei-drei Spielkameraden, die aber meist auch nicht wirkliche Ikonen der Männlichkeit waren.
In deren Gesellschaft fielen meine Defizite nicht so sehr auf, denen war egal, ob ich fußballspielen konnte, ob ich auf Bäume klettern oder von Garagendächern springen mochte. Die schätzten mich für meine skurilen Ideen, vielleicht auch, weil ich Gefühle zeigte und nicht auf den ihren herumtrampelte, wenn sie das auch taten.

Wähnte sich Försters Pucki so schon unter Wilden, hatte sie als frischgebackene Internatlerin nun das Gefühl, inmitten einer Menagerie wilder TIERE zu sitzen.
Nicht, dass es bei den Mädels sonderlich freundlicher zugegangen wäre: Die prügelten sich wohl weniger, tränkten es sich dafür mit katzenhaft süßem Lächeln heimlich ein, verzierten die Strumpfhosen der Rivalin mit Laufmaschen, schnitten der auch schon mal des Nachts die Haare oder pinkelten sich gegenseitig in die Parfüm-Flacons.
Dennoch schienen die bei aller hierarchischen Struktur so etwas wie Solidarität und Mitgefühl zu kennen. So ganz genau habe ich es nie herausgefunden - das war eine eigene, in sich geschlossene Welt, über die ein ältliches Fräulein (das auch darauf bestand, so angesprochen zu werden!) mit Argusaugen wachte. Ich fand, sie hatte etwas von Frau Malzahn. Ich hätte trotzdem lieber zu ihrer wohlbehüteten Herde seltsamer Prinzessinnen gehört, als in Ali Babas Höhle unter den Räuberkindern leben zu müssen.
So kam mir das nämlich vor. Da herrschte ein rauher (zuweilen auch durchaus herzlicher) Ton, an den ich mich nur langsam gewöhnte.
Die sprachen, wenn sie nicht gerade über Fußball oder Autos fachsimpelten, andauernd über rätselhafte Dinge, von denen ich so noch nie gehört hatte.
Von "Mösen" zum Beispiel. Komisches Wort. War mir bislang noch nicht untergekommen, bezeichnete offenbar Mädchen im allgemeinen oder die Freundin im Besonderen. Es hieß dann beispielsweise: "Ich komm' heut' nicht mit zum Fußball... geh mit meiner Möse ins Kino." - Aha.
Ich benutze das tolle neue Wort im Rahmen meiner mimetischen Bemühungen natürlich auch, wollte aber dann doch wissen, wie sich das eigentlich herleitete.
Weil ich mich aber nicht bei den Jungs als Hinterwäldlerin outen mochte, fragte ich eine Klassenkameradin, die ich gelegentlich im Mädchenhaus besuchte. Die brach ob meiner Unbelecktheit im schallendes Gelächter aus, deutete schließlich vielsagend zwischen ihre Beine...
Britta ahnte Unvorstellbares, hauchte kaum hörbar "V...agina???", was einen weiteren Heiterkeitsausbruch zur Folge hatte: "Ja, du Schussel! Vagina... Muschi... Pussy... Butze... Schnalle...!" -
Ufff... Britta machte große Augen... das alles waren Wörter, die sie hier wohl schon im Zusammenhang mit Mädchen gehört, aber nicht adäquat zu verorten gewußt hatte.
Konnte das möglich sein?? Dass Jungs die Mädchen - die eigene Freundin gar, die sie doch zu lieben vorgaben - derart reduzierten??
D. erläuterte, dass "Schnalle" das sei, wo der "Riemen" reinkäme.... okaaay... sinnfällig. "Muschi" und "Pussy" hätte nur in übertragenem Sinne etwas mit Kätzchen zu tun... auch klar... - Einzig "Butze" wußte sie nicht wirklich zu erklären. Ich erfuhr viel später, dass das Wort aus dem Berlinerischen stammt und eine kleine Wohnung oder einen Unterschlupf bezeichnet.
Auf meine Frage, ob Mädchen nun ihrerseits ihre Freunde als "Schwanz" oder vielleicht "Pimmel" bezeichneten, beschied sie mir, dass dass einfach "mein Typ", "Macker" oder "Freund" hieße - sonst würde schlicht der Name verwandt: das Beziehungsverhältnis wäre unter Freundinnen ja eh bekannt, müßte also nicht extra herausgestrichen werden.
Ich war erleichtert - zumindest die eine Hälfte der Menschheit war offenbar noch nicht vollends und hoffnungslos verroht - und beschloß, diese Begriffe aus meinem aktiven Wortschatz zu streichen.

D. war es auch, die ich irgendwann bat, mir die Augen zu schminken - angeblich lediglich, weil ich wissen wolle, wie ich mit Mascara und Kajal aussähe.
Ich hatte zwar oft meine Mutter beim Schminken beobachtet, auch selbst natürlich mit ihrem Krams experimentiert, das aber nie so richtig hingekriegt.
Sah süß aus, befand D. und versprach, das nicht weiterzuerzählen. Tat sie wohl auch nicht - es kam mir jedenfalls nie zu Ohren.
D. war nett, fast ein Jahr älter als ich und wurde mir so etwas wie eine Vertraute, wie die ältere Schwester, die ich gerne gehabt hätte, der ich mein Leid klagen und die ich Dinge fragen konnte, die ich andere nicht zu fragen wagte. Mich ihr ganz zu offenbaren traute ich mich aber nicht.

Die "Räuberkinder" kannten nicht nur komische Wörter, sie sprachen überhaupt viel über Sex (taten die "Prinzessinnen" vermutlich auch...) - 14-15-16-jährige sind wohl so.
Nicht, dass ich viel zu ihren Erzählungen beizutragen gehabt hätte, ich war ja mit allem ein wenig spät dran - aber wenn, dann hätte ich nie so schnodderig, so abwertend und vulgär darüber reden mögen. Die hielten das offenbar für männlich, extrem erwachsen und mit allen Wassern gewaschen - ICH fand es einfach nur mies, gefühllos und ein bisschen eklig.
Es wunderte mich überhaupt, dass die so gar kein Schamgefühl zu haben schienen: Die fanden offenbar nicht das geringste daran, splitterfasernackt im Zimmer umherzuhüpfen oder unter dieser entsetzlichen Gemeinschaftsdusche, die es einem nicht einmal ermöglichte, die Temperatur individuell einzustellen, körperliche Entwicklungen fachmännisch zu begutachten und darüber zu reden. Fremdartige Wesen.
Ich war eigentlich nicht wirklich prüde - zuhause liefen wir auch gelegentlich nackt herum - mochte mich aber Fremden nicht gern nackt zeigen. Ich schämte mich ein wenig für meinen Kinderkörper und fürchtete den direkten Vergleich. Auch fand ich, dass meine Brustwarzen ungewöhnlich groß waren, hatte Angst, dass das bemerkt werden könnte und zog mich deshalb auch beim Sport grundsätzlich der Wand zugekehrt um.
Sex interessierte mich eigentlich brennend - ich konnte meine Eltern nach absolut allem fragen und bekam immer ausführliche Antworten, las auch alles darüber, was ich in die Finger kriegen konnte - ich wollte nur einfach nicht SO darüber reden, wie das üblich zu sein schien.
Kekswichsen à la "Crazy" gab es bei uns gottlob nicht - aber ab und an beliebten meine Zimmerkameraden vor dem Einschlafen ein Wettonanieren anzuberaumen, was ich total entsetzlich und widerlich fand. Ich gab meist vor, bereits zu schlafen und hoffte, dass die möglichst schnell zu Potte kommen und Ruh geben möchten.

Das Zusammenleben mit Jungs war anstrengend und beängstigend. Ich war absolut ratlos, warum ich mich so fremd fühlte: Warum konnte ich nicht, was denen offenbar so leicht fiel? Warum mochte ich nicht, was die alle so toll fanden?
Körperlich sah ich die Ähnlichkeit zu ihnen - aber warum hatte ich trotzdem das verstörende Gefühl, unter diesen ganzen langsam zu Männern werdenden Wesen so schrecklich falsch zu sein??
Es konnte nicht angehen, dass ich es mit lauter Mutanten zu tun hatte - also waren die offenbar die Norm.

Aber was zum Teufel war dann ich??

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