Donnerstag, 10. Dezember 2009

Bratzen Logik ...

Educating Britta

"Da!" sagt Alex anklagend, und deutet auf den Bildschirm, "Ich möchte, dass Du das liest!"

Britta sucht beflissen nach ihrer Sehhilfe und erblickt erschrocken eine schier endlose Bleiwüste offenbar hochpolitischen Inhalts, die sich in ihrer ganzen Trostlosigkeit erst nach ausgiebigem Gebrauch des Scrollrädchens offenbart.

"Ohne Bertelsmann geht nichts mehr" lese ich und frage: "Äh... Schatz... MUSS ich das lesen?? Das ist furchtbar lang... Und sieht kompliziert aus..."
"Ja", sagt mein Herr und Gebieter, bleckt die Zähne (ich muss mir immer erst wieder in Erinnerung rufen, dass das bei ihm einem Lächeln gleichkommt) und erläutert: "Das ist eben ein komplizierter Sachverhalt und gewiss geringfügig über Bild-der-Frau-Niveau - aber DU hast schließlich 'Achmed the dead Terrorist' (ein Synonym für Angela, deren eindrucksvollen Nasolabialfalten ja tatsächlich an die Handpuppe eines Bauchredners gemahnen) gewählt!"

Mist... Stimmt... Hätte ich nur damals im Politikunterricht besser zugehört und dem Umstand, dass Wahlen in diesem Land aus GUTEM Grund GEHEIM vonstatten zu gehen pflegen, mehr Rechnung getragen...

"DU bist für diesen neoliberalen Wahnsinn verantwortlich! Vollumfänglich!" wütet der Mann, dessen aufopferungsvoller Erwerbstrieb meine nichtswürdige Existenz finanziert, "Nun lies wenigstens, was sich hinter den von dir gewählten Pappkameraden verbirgt. Mußt du nicht gleich lesen - aber in einer Woche frage ich dich ab!"

Bitte?? Da hat wohl jemand zu häufig Faßbinders "Martha" geguckt!
Ein Buch über Brückenbautechnologie erscheint im Moment reizvoller als dieses Pamphlet, aber Britta - darauf bedacht, die relative Harmonie des Abends nicht unnötig zu gefährden - beschließt, besser gleich mit dem Lesen anzufangen.
Das ist wie mit dem Backofen-Schrubben: je eher daran, desto eher davon.

Schon nach etwa einem Drittel des Textes weiß ich gar nicht mehr so genau, was am Anfang gestanden hat und mache meinem Unmut vorsichtig Luft: "Aber Schatz... die schreiben hier 'Merkel DROHT die erste Bundeskanzlerin der BRD zu werden' - der Kram ist fast fünf Jahre alt..."
"Na und??" blafft Alex, "Hat an Aktualität nix verloren - und DU Doof-Bratze hast sie DAMALS ja auch schon gewählt - weil sie eine FRAU ist!"
"Jaaa...", lenke ich weinerlich ein, "aber eigentlich mehr, weil ich den Schröder so scheiße fand..."
"Dann jammer nicht und lies!"

Britta seufzt schwer und liest.

Nach einem weiteren Drittel (und großen Mühen, nicht vernehmlich "Dieser Weg wird kein leichter sein" zu summen, was mir nicht aus dem Kopf gehen will) sage ich: "Hmpf... also... sooo neu ist das aber wirklich nicht... Ich hab ja mal für die Bertelsmänner gearbeitet - in einem früheren Leben.
Geld ist eben Macht... kombiniert mit medialer Vormachtstellung schon fast zwangsläufig determinierender, politischer Faktor..."
"Und das ist dann ein Grund, die herrschenden Verhältnisse durch Wahl zu zementieren??"

Britta schiebt die Unterlippe vor und guckt verunsichert.

"Wen hätte ich denn DANN wählen sollen?? Mir erschien das halt als das geringere Übel..."
"Das. Das Merkel. Geringeres Übel. Aber warum um alles in der Welt hast du denn diesmal WIEDER das Merkel gewählt?? Wo doch zu erwarten stand, dass es ausgerechnet mit der FDP regieren würde? Neoliberalismus pur?"
"Na ja... hätte ja auch Schwarz-Grün werden können..."
Alex zieht spöttisch die Augenbrauen hoch.
"Na - und außerdem... den Steinmeier finde ich eben auch scheiße..."

Jetzt seufzt Alex schwer.

11 Kommentare:

  1. Es war ja nun wirklich Egal, ob Rot-Grün oder Schwarz-Gelb. Ohne Bertelsmann geht regieren offensichtlich nicht mehr.

    Alex soll sich mal Gedanken machen, wer die Agenda 2010 gestaltet hat.

    Aber CDU sollte aus anderem Grund für dich unwählbar sein. Die CDU hat eine sehr negative Haltung gegen TS.

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  2. Ja, oder??

    ... Alex wäre aber auch mit Rot-Grün nicht glücklich gewesen - eben WEGEN der Agenda...
    Er setzt mehr auf eine knackige Opposition.

    Mir hingegen war wirklich wichtig, dass eine Frau nicht nur EINMAL Bundeskanzlerin wird (eine Schwalbe macht halt keinen Sommer!) - sondern als FRAU im Amt bestätigt wird.

    Und auch, wenn ich das Westerwelle nicht nur scheiße, sondern sogar SUPERscheiße finde - einen bekennend schwulen Außenminister hatten wir auch noch nie.
    Die Bild-Titelstory nach der Wahl ("Sein Mann macht ihn so stark!") fand ich wirklich süß... Wenn selbst dieses widerliche Revolverblatt mittlerweile SO über Randgruppen schreibt, kann hier doch noch nicht Hopfen und Malz verloren sein.

    Auch wenn ich als TS sicher so schnell nicht CDU-Ortsgruppenleiterin werde (wozu ich allerdings auch erst mal in dieser komischen Partei SEIN müßte) - sooo gruselig finde ich die Haltung nicht. Jedenfalls nicht in einem Maß, dass mich in meiner Wahlentscheidung beeinflussen würde... ;-)

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  3. Naja, mich bekämst du nicht dazu, eine Person für ein politisches Amt nach Geschlecht zu wählen *g*
    Beispiel US Wahlen letzthin. Clinton hatte so ein dermassen falsches Gesicht aufgesetzt im Wahlkampf, dass ich wirklich froh war, dass Obama die Dems vertrat. Und bei Sarah Palin schäme ich mich ob des gleichen Vornamens.

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  4. Also ich beschäftige mich herzlich wenig mit Politik - muss ich zu meiner eigenen Schande zugeben.
    Aber mal ganz Ehrlich - die erzählen einem doch eh nur Müll und selbst daran halten die sich nicht.....
    Letztendlich ist es nur wichtig, das geringere Übel zu wählen - und das ist ja subjektiv...
    Meine Meinung jetzt halt :-)

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  5. @Sissy: Ich war auch nie sooo die Polit-Maus - aber seit ich nicht mehr arbeite und nur noch durch meine Herumlaufbahn schüssel, erscheint mir das alles irgendwie noch viel ... irrelevanter für mich.
    Erschreckend, wieviel Raum das Grübeln darüber, was man denn mal kochen oder wie man einen verdammten Fleck rauskriegen könnte, einnehmen kann.
    Der endgültigen und vollständigen "Hausfrauisierung" versuche ich nicht zuletzt durch Schreiben zu entgehen...

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  6. Oh ich wünsche mir auch seeeeeeehr sehnlich, eine Hausfrau zu sein. Mit Baby bitte *soifz*
    Tausche gegen Bürotussizickenschlampen!!!! Interessiert???

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  7. Ha!! Nääää! War 20 Jahre Bürouschi... also... Grafikschlampe... na ja... Pixelschubse...
    Eva Hermanns Buch hat mir dann die Augen geöffnet: Ich wollte zurück an den Herd! *strahl*
    Kind kann ich übrigens nur empfehlen:
    Nervig wie die Hölle, macht NUR Dreck, ist LAUT (jedenfalls, wenn man so eine kleine Bitch wie die meine hat) - aber sooo süß!!!
    (Neun Monate von Gebärneid zerfressen sein war hart - aber die ist ja doch auch irgendwie selbstgemacht!)
    Aber wenn Du das willst - verlier keine Zeit! Kinder sind einfach klasse! ;-P

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  8. darf ich mal fragen, warum du überhaupt nicht mehr arbeitest? weil du's kannst :)?

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  9. Puuh... da muss ich ein bissi weiter ausholen:
    Ich war 20 Jahre an einem kleinen Verlag beteiligt - selbständig also. Das ging anfangs wirklich gut, weshalb ich '99 Das-viel-zu-große-Haus kaufte. Kaum hatte ich das, knickte die Konjunktur ein, was aber dann noch etwa vier Jahre nicht sooo schlimm zu spüren war. Die letzten sechs Jahre waren dann aber wirklich übel, und trugen mir außer heftigen Depressionen und finanziellen Nöten auch ein ausgewachsenes Burn-Out ein.
    Das in Verbindung mit meinem Alter und der Tatsache, dass man sich mit Grafik-Designern den Boden belegen kann, setzt meine Chancen auf dem Arbeitsmarkt praktisch auf Null. Auch, weil ich aus dem Print-Bereich komme, und mich erst mächtig in HTML und Webdesign einarbeiten müßte, wenn ich auf dem Gebiet etwas werden wollte.
    Meine "Karriere" ist also zu Ende - daran gibt's nicht viel zu beschönigen. Nicht aber die meines Mannes, der aber darauf angewiesen ist, dass ihm jemand komplett den Rücken freihält, damit er sich voll und ganz auf's Arbeiten konzentrieren kann.
    So rentiert sich dann auch endlich Das-viel-zu-große-Haus ein wenig besser, weil wir im Erdgeschoß wohnen und Alex in der ersten Etage seine Kanzlei hat.
    Und ich bin jetzt halt 24/7-Girl-Friday-stay-at-Home-Mom-Hausfrau und beiße noch ein wenig auf dem nicht unerheblichen und recht schmerzhaften Statusverlust herum.
    Dieses Konzept, das gelegentlich wie eine 50er-Jahre-Ehe anmuten mag, probieren wir erst seit etwa neun Monaten. Wenn es sich nicht so rechnen sollte, wie Alex sich das ausgedacht hat, muss ich halt irgendwie doch dazuverdienen. Was aber dann wieder meine Rund-um-die-Uhr-Verfügbarkeit einschränken würde. Hmpf. Kompliziert. :-/

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  10. puh.. in der tat. danke für die ausführliche antwort. habt ihr euch denn einen termin gesetzt, an dem ihr gucken wollt, ob es sich rentiert? solltet ihr unbedingt machen, sonst krebst ihr beide vielleicht monate zu lang rum und am ende ist jeder unzufrieden... :). und du hättest auch keine lust, dich zu hause in webdesign etc. einzuarbeiten, so ein bißchen nebenbei?

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  11. Alex denkt, dass bis Ende des Jahres abzusehen sein müßte, ob das, was bislang schon recht gut funktioniert, auch auf Dauer Bestand haben kann.
    Mir fällt schon immer noch schwer, mich so voll und ganz seinen Bedürfnissen unterzuordnen - was aber einfach nicht anders geht, weil er sich nicht ständig mit mir herumärgern kann, wenn er genug Energie für die Arbeit haben soll.
    Und er leidet schon ziemlich unter der jetzt vollen Last der Kosten und der Verantwortung.
    Wir haben uns auf strikte Arbeitsteilung geeinigt - er macht also absolut NIX im Haushalt, ich halte mich vollkommen aus allem Finanziellen und allen Entscheidungen raus.
    Mit Webdesign beschäftige ich mich, wenn es die Zeit erlaubt (ist nämlich erstaunlich viel Arbeit) schon - einen B-Plan in der Tasche zu haben, kann wirklich nicht schaden.

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