Sonntag, 6. Dezember 2009

Vierohr-Mausi ...

Padre - Patrone

"Ist ja putzig, was von dem, das ich dir mitzuteilen versuche, bei dir ankommt", sagt mein Mann.
Der hat gerade meinen letzen Post gelesen und wundert sich nun.
"Hmm? Wassn?" frage ich.
"Ich habe gesagt: 'bedank dich bei deinem Vater!' - nicht: 'Dein Vater ist schuld'..."
"Bleibt sich das nicht gleich?"
"Nein - so lange du in Schuldkategorien denkst, räumst du dem anderen Macht ein."

Aha. Bedanken kann ich mich bei meinem Vater nicht mehr - den haben wir nämlich bereits vor 12 Jahren tieferlegen lassen. Macht über mich hatte der Mistkerl allerdings immer - und hat sie sicherlich auch heute noch. Kaum ein Tag, an dem ich nicht irgendwie an ihn denke.
Kommunikation ist ein schwieriges Geschäft - intergeschlechtliche gleich gar - und wenn es eines Beweises für unser beider Geschlechtsverwirrung bedürfte, fänden wir ihn bequem in unser erschütternd stereotypen Form, miteinander zu reden.
Gut auf den Punkt gebracht hat es DeserTStorm. Ich sollte mir den "Schulz von Thun" nochmal zu Gemüte führen - da steht das alles in epischer Breite erklärt.

Ich HÖR also "Dein Vater ist schuld!" - dass Alex nicht wirklich meint, ich schuldete ihm DANK, verstehe selbst ich. WENN sich überhaupt jemand bei ihm bedanken müßte, dann sicher Alex, der jetzt ja von dem archaischen Frauenbild profitiert, das der chauvinistische Drecksack, unter dessen Fuchtel aufzuwachsen ich das außerordentliche Pech hatte, in meinen Kopf gepflanzt hat.

Nun weiß ich natürlich schon, dass man sich nicht darauf beschränken kann, sein Leben lang den Eltern die Schuld für alle Unbill in die Schuhe zu stopfen - ABER...

In seinem Bemühen, aus mir doch noch irgendwie einen richtigen Mann zu machen, versorgte er mich mit seinen geballten "Lebensweisheiten" - oder dem, was ein 1912 geborener, hart am Rechtsradikalismus vorbeischrammender ostpreußischer Krautjunker dafür hielt.
Meine neun Jahre jüngere Schwester hat das alles natürlich auch eingetränkt bekommen - allerdings wohl subtiler (wenn man von dem Mißbrauch, dem er sie mit drei Jahren unterzog, einmal absieht).
Jedenfalls hat er ihr wohl kaum freudestrahlend mitgeteilt, dass Hunde, Kinder und Frauen in regelmäßigen Abständen etwas an den Hals bräuchten, um zu realisieren, WER der Herr im Haus ist.

Unsere Hunde kamen noch vergleichsweise gut weg - ihr angeborenes Unterordnungsvermögen verhinderte Schlimmeres. Kindern versohlte er bei jeder passenden Gelegenheit den Hosenboden, schlug ihnen aber nicht gleich die Nasen blutig - eine Sonderbehandlung, derer er nur seine diversen Frauen teilhaftig werden ließ.

Die Botschaft war klar: Frauen sind Laternenpfahl ganz unten - und die kleine Britta war da ja doch irgendwie ganz froh, dass er zwar permanent "weibisches Verhalten" konstatierte und entsprechend ahndete, aber nie (bis zu seinem Tod nicht) herausfand, dass sein Sohn in Wahrheit eine Tochter war.
Des weiteren erfuhr ich, dass "keine es quer hat" (sollte heißen, dass eine Frau so gut wie die andere sei), und dass es bei einer Frau in erster Linie auf Unterwürfigkeit und "ein gutes Herz" (lies: Duldsamkeit, Leidensfähigkeit) ankäme, was sich unter anderem darin manifestierte, dass sie nicht alle paar Jahre um einen neuen Wintermantel bettelt. Vielleicht die Erklärung für meine Unwilligkeit, alte Sachen wegzuwerfen.

Das blöde dabei war, dass mir das praktisch ungefiltert reinlief, weil ich ja nicht der unmittelbare Adressat war.
Während nämlich bei meiner Schwester die Gewissheit wuchs, dass sie sich niemals so behandeln lassen wolle, bestand meine Abgrenzung und mentale Abwehr darin, keinesfalls FRAUEN so behandeln zu wollen.

Das nützt MIR nun irgendwie so gar nichts.

Ich werde den Verdacht nicht los, dass ich zumindest unterbewußt versuche, meinem Vater eine gute Tochter zu sein - wo ich doch als Sohn so eine Enttäuschung war. Dass meine Vorstellung, wie eine "gute" Frau zu sein habe, weit mehr von seinen reaktionären Vorstellungen, als von meinen Wünschen und Bedürfnissen geprägt ist.

Unter dem Aspekt von-Thunscher Vierohrigkeit heißt das:

Der kleine Junge in mir hörte auf dem
Sachohr: Frauen muß man zeigen, wo es lang geht.
Selbstoffenbarungsohr: ICH lasse mir von Frauen nicht auf der Nase herumtanzen.
Beziehungsohr: DU bist zu weich - du wirst es so zu nichts bringen.
Appellohr: Fang endlich an, dich wie ein MANN zu benehmen!

Das kleine Mädchen vernahm:
1. Frauen müssen lernen, wo ihr Platz ist.
2. ICH weiß, wie man Frauen behandeln muss..
3. Du bist zu selbständig/zu sehr auf deine eigenen Bedürfnisse bedacht.
4. Unterwirf dich - oder du wirst unterworfen!

Rebelliere ich gegen Alex, kämpfe ich auch immer irgendwie gegen meinen Vater - und das macht mich zutiefst unglücklich, weil ich ja eine gute Tochter, eine gute Frau sein möchte...
Eigentlich sehe ich in jedem Mann meinen Vater - anders ist diese tiefsitzende Angst vor Männern als solchen nicht zu erklären.

In diesem Sinne: DANKE, Papi... möge die Erde tonnenschwer auf deiner verdrehten Seele lasten!

6 Kommentare:

  1. Irgendwie macht mich das traurig. Vielleicht weil es mir so bekannt vorkommt. Ich habe Jahre dafür gebraucht um die Frau zu werden die ich bin. Denn zuerst war ich Sohnersatz und dann sollte ich plötzlich braves, fügsames Mädchen werden.
    Ich wünsch Dir ganz viel Kraft Dich selbst zu finden. Du schaffst das.

    Knuddel,
    Liza

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  2. Oh mensch ist das traurig! Und für Deine kleine Schwester tut es mir auch sehr leid!!!
    Hmmmm irgendwie hast Du doch auch "gerächt", indem Du stark genug warst und bist, zu dem zu stehen und werden was Du heute bist. Jetzt fehlt "nur" noch das nötige Selbstbewusstsein. Das ist leider auch kein einfaches Unterfangen.
    Aber Du schaffst das bestimmt!!!
    LG
    Sissy

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  3. @Sissy: Hehe... ja! Wahrscheinlich ist sein Grab als einziges auf dem Denzlinger Friedhof ganzjährig schnee- und eisfrei, weil der 24/7 darin rotiert!
    Wenn der mich heute sehen könnte - ihn träfe der Schlag! *strahl*
    Er ist gewiss nicht schuld an meiner Transidentität (was kann der schon für meine weibliche Hirnstruktur) - aber an meinem katastrophalen Frauen- und Männerbild schon!
    Und ja: Meine Schwester hat es deutlich schlimmer getroffen - die ist bis heut nicht durch damit. :-(
    Beide verharren wir in früh geprägten Mustern: Sie, indem sie sich nie völlig einer Partnerschaft öffnet. immer auf der Hut ist vor dem Feind in ihrem Bett - ich, indem ich mir Lebensumstände und einen Mann gesucht habe, die es mir ermöglichen, meines Vaters Rollenvorstellungen nachzukommen. Wobei ich in Alex allerdings jemanden habe, der reflektiert und liebevoll seine Rolle füllt.
    Auch, wenn ich hier gelegentlich ziemlich jammerig rüberkommen mag: Ich hab es mir schon ganz bewußt so gesucht - und vielleicht finde ich irgendwann mit Alex' Hilfe DIE Weiblichkeit, die ich leben kann, ohne in diese fremdbestimmte Opferrolle zu müssen. MEINE eben.
    Vielleicht befreit mich DAS dann endlich von der Tyrannei des Menschen, den ich so verzweifelt als Vater zu lieben versucht habe... nach dessen Liebe und Anerkennung ich mich so sehnte... Zeit würde es wohl... Alt genug bin ich ja! ;-)

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  4. Hmmm na ja - diese Vaterprobleme kenne ich, obwohl meine ein bisschen anders gestrickt sind als Deine - aber auch nicht sooo anders. Mein Erzeuger war ein Blödmann, den ich nicht kenne und mein Ziehvater, den ich bis zum meinem 16ten Lebensjahr für meinen richtigen Vater gehalten habe, war ein Cholerisches, Frauen verachtendes und schlagendes und betrügendes und überhebliches Arschloch. Hmmmm so ungefähr irgendwie. Der Missbrauch fand durch einen Nachbarsjungen statt. er 17 - ich irgendwo zwischen 6 und 8.

    aber pssst - weiß sonst keiner hier :-)

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  5. will nur meinen - you are not alone :-)

    Und ja, gibs ihm!!!!!!!!!!!!!!

    Ich wünsche Dir von ganzem Herzen, dass Du die Geister der Vergangenheit dahin befördern kannst, wo sie hingehören - in die Vergangenheit!

    Drück Dich

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  6. Tja, das kenn ich, das mit dem Vater... Entscheidend ist nicht, ob Du Dich früh in Opposition zur Weltsicht deines Macho-Vaters begeben hast.

    Entscheidend ist, es ist die erste, und prägende Weltsicht eines Mannes, die du kennenlernen durftest. Als Aufgangspunkt für das Verhalten eines Mannes... inkl. allen weiteren Interaktionen dieses Mannes mit seiner Umwelt auf Basis dieser Weltsicht.
    Diese beobachteten und frühkindlich gespeicherten Interaktionen, diese zweite Ebene ist das, was das Gleis so eingefahren macht.

    Da nützt alle Opposition nichts, deine alternative Position (Weltsicht) hat kein passendes Kartenmaterial, nur das, zum Weltbild deines Vaters passendes Kartenmaterial wurde Dir in der Prägephase aufgespielt.

    Arme Alex, plagt sich nun mit patches & updates rum *ggg*

    gruss grenzer

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