Dienstag, 9. März 2010

Transamerica!

Kürzlich stieß ich bei Bad Hair Days (Danke, Sarah!) auf ein YouTube-Link zu einem Film, den ich schon seit Monaten sehen wollte - ein Roadmovie mit Felicity Huffman (genau, Mädels: Lynette Scarvo von den verzweifelten Hausfrauen!) in der Hauptrolle.


Die spielt, obschon so biologisch Frau, wie man es überhaupt nur sein kann, die Transidente Bree, die, eine Woche vor ihrer langersehnten OP, überraschend einen Anruf von dem 17-jährigen Toby bekommt, der nach "Stanley" fragt und bekundet, dass der sein Vater sei.
Bree rechnet fix zurück und fällt fast tot um: Als sie noch "Stanley" war, hatte sie zu Collegezeiten eine flüchtige Affäre, die offenbar nicht gänzlich ohne Folgen blieb.
Sie behauptet, "Stanley" sei unbekannt verzogen und erfährt, dass Toby sich in New York in Jugendhaft befindet und dringend Hilfe benötigt.
Als sie später ihrer Therapeutin davon berichtet, verweigert diese ihr zu ihrem Entsetzen die endgültige Genehmigung ihrer OP - es sei denn, sie stelle sich ihrer Vergangenheit.
Bree jettet nolens-volens von LA nach New York, löst dort ihren Sohn aus, der sich als ziemlicher Desperado mit Drogen- und Stricherfahrung entpuppt, kauft einen klapprigen Wagen und begibt sich mit ihm auf eine abenteuerliche Fahrt quer durch die Staaten zurück nach LA.
Bree verschweigt sowohl ihre Transidentität, als auch die Tatsache, dass sie in Wahrheit sein Vater ist, will sich der unangenehmen Pflicht so schnell als möglich entledigen und den Jungen unterwegs bei seinenm Stiefvater absetzen und gibt sich als Missionarin aus, die das verlorene Schäfchen zurück auf den rechten Weg führen will.
Ihr Sohn hingegen, streetwise wie alle Straßenkinder, sieht in ihr nichts als eine etwas wunderliche Dame, die ihn nicht nur aus dem Gefängnis befreit, sondern ihn auch umsonst in der Gegend herumkutschiert...

So weit der Plot - ich mag nicht den ganzen Film erzählen, weil die ein oder andere ihn vielleicht selbst noch sehen möchte.
Nur so viel noch: Das ungleiche Paar kommt sich unterwegs näher. Und Bree muss sich den Dämonen ihrer Vergangenheit stellen.
Oh - aber sie schafft es gerade noch rechtzeitig zu ihrer OP! ;-)

Ich sah den Film nun zwar nur in YouTubes Mäusekino (für den Vollbildmodus ist mein Läpchentöpchen einfach zu schmalbrüstig) und in zehn einzelnen Teilen. Und war doch gottfroh darum, weil ich in den Pausen immer wieder um Fassung ringen und meine Sicht klären konnte - hinterher sah ich trotzdem aus wie ein verheulter Frosch.
Nie, wirklich noch nie habe ich die Ängste und Nöte, die Unsicherheit und den verzweifelten Mut Transidenter filmisch so überzeugend, so ergreifend verkörpert gesehen wie von Felicity Huffman, die für ihre atemberaubende Leistung mehr als zu Recht für den Oskar nominiert wurde.

Auch ohne Gender-Thematik wäre dies ein wunder-wunderschöner Film über Eltern und Kinder, Liebe und Enttäuschung, Mut, Verzweiflung und Hoffnung - und natürlich ein großartiger Vertreter des Genres "Roadmovie", den ich wirklich nur uneingeschränkt empfehlen kann.

Und als ich, während Bree schon im Vorraum zum OP-Saal liegend, noch einmal so schüchtern und sanft - wie Abschied nehmend - nach dem tastete, was sie nach der OP nie wieder in dieser Form vorfinden würde, wie ein Schloßhündchen heulen mußte, fiel mir "My Sex" von Ultravox ein...
Nun habe ich es naturgemäß eigentlich nicht so mit "Oden an die Hoden" - Dennoch: Das ist das schönste Glied-Lied, das ich kenne. Und eine sehr poetische, persönliche Beschreibung von Sexualität. Aber hört selbst:




















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17 Kommentare:

  1. Ich hab mir den Film damals im Kino angesehen. Interessanterweise fragte mich meine, mir bis anhin unbekannte, Sitznachbarin:
    "Ist das in den USA echt üblich mit dieser übertriebenen Feminität?"
    Ich war nun schon einige Male in den USA und konnte das nur bejahen - Aber witzig fand ich es irgendwie doch. Auch in Bezug auf meinen Blogbeitrag, der dich inspiriert hat.
    Ich selbst bin so überhaupt kein "Girls Girl" wenn es um feminines geht. Für mich ist Paris Hilton ein Alptraum und aus meiner Sicht ist es etwas "Schade", dass Deutschlands bekannteste Transsexuelle (zumindest die mit der meisten Medienpräsenzen), Lorielle, so richtiges It-Girl ist (auch wenn ich es ihr nicht missgönne)
    Tatsächlich hat mal eine Mitbetroffene, nachdem sie die Partyszene in Transamerica gesehen hat, gemeint - so übertrieben wolle sie nie sein, da könne sie sich gar nicht wieder finden.
    Es ist eben USA :-)

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  2. Ich habe mir den Film damals mit großer Erwartung angesehen, aber war letztlich doch entäuscht. Es ist kein Film, der sich vorrangig mit Transsexualität befasst, sondern die Protagonistin ist eben nur "zufällig" trans. Ich hab es eher als Beziehungsdrama Elternteil - Kind aufgefasst.
    Aber dennoch habe ich schrecklich geweint an vielen Stellen. Vor Rührung und vor Mitleid, weil ich einiges davon ganz ähnlich erlebe mit meinen Kindern.
    Dennoch: Ein guter Film und unbedingt sehenswert. Einige haben kritisiert, dass eine BioFrau eine Transfrau spielt. Ich finde das zwar nicht schlimm, aber dennoch eine verpasste Chance.

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  3. @Sarah: Findest Du Bree bereits übertrieben? Hmm... wenn man sie mit der Durchschnittsamerikanerin, jedenfalls wie sie uns in den Medien begegnet, vergleicht, ist sie es mE eher nicht.
    Die Partyszene ist halt subkulturtypisch: Die selbe etwas künstliche Aufgekratzheit, die man auch auf unserer Seite des Teichs beobachten kann, wenn "Betroffene" in schönster Coming-out-Besoffenheit sich unter Ihresgleichen wähnen.
    Was mich an Lorielle so stört, ist die leicht vulgäre, tuntenbarocke Dragqueen-Attitüde. So war ICH nie, so bin ich nicht - und bei allen Göttern: So will und werde ich niemals sein!
    Aber hey! - es gibt in etwa so viele Auffassungen von Weiblichkeit, wie es Frauen gibt, oder? Und das ist gut so! Jede so, wie sie es mag. Oder braucht. Oder was auch immer! ;-)

    @Svenja: Lustig - was Du kritisierst, ist genau das, was ich so schön fand...
    Ja - Bree ist ganz zufällig trans. Das ist eine zufällige Laune des Schicksals, daran ist niemand schuld und eigentlich wäre es auch gar nicht besonders erwähnenswert. Jedenfalls nicht in einer Gesellschaft, die etwas weitherziger mit ihren Mitgliedern umspränge.
    Worum geht es denn wirklich im Leben, wenn nicht um Liebe und Beziehung, um Wahrhaftigkeit und die kleine individuelle Freiheit? Warum haben Gene, Hormone und die Erwartungen unserer Kultur diese grauenhafte Macht über uns??

    Eine Frau die transidente Bree spielen zu lassen, fand auch ich erst mehr als fragwürdig: Es hätte sich ganz bestimmt eine Legion von Trans-Frauen um diese Rolle geprügelt.
    Dann allerdings war ich wie vor den Kopf geschlagen, wie authentisch und einfühlsam die Huffman sich "in unseren Schuhen" bewegt: eine Frau, die einen Mann spielt, der wie eine Frau fühlt.
    Wow. Keinerlei Angriffsfläche für Transphobiker, die bekritteln könnten, dass man "es" ja schlußendlich doch immer sähe, dass aus einem "Mann" eben einfach NIE eine Frau werden könne.
    Das ist mE keine verpaßte Chance - das ist, bei genauerem Hinsehen, ein genialer Kunstgriff, der auch dem kritischsten Betrachter vor Augen führt, WIE ähnlich WIR unseren genetischen Schwestern sind.
    Und wenn eine Mainstream-Schauspielerin wie Felicity Huffman in der Lage ist, sich SO in uns hineinzufühlen, dass man vergessen könnte, dass sie NICHT eine von uns ist - dann KANN es nicht so schwer zu vermitteln sein, WER und WIE wir sind.

    Apropos Eltern-Kind-Beziehungen... Kennst Du "Life as a House"? Der deutsche Titel ist langweilig und ungenau: "Das Haus am Meer".
    Darin kämpft ein Vater, der nur noch kurze Zeit zu leben hat, um die Liebe seines Sohnes.
    Wenn "Transamerica" Dich schon heulen machte (wie mich ja auch), dann kauf Dir besser schon mal Kühlpads für die Augen.
    Ich war nach dem Film zwei Tage buchstäblich krank, weil der mich so mitgenommen hat.
    Und jede, der ihre Gören am Herzen liegen ... und die es vielleicht nicht immer sooo leicht mit ihnen hatte, wird das nachfühlen können.

    Nein - normalerweise mag ich Trans-Filme nicht so: Zu bunt, zu schrill, zu melodramatisch.
    "Transamerica" ist so ein stiller Film ... so unpretentiös ... rührend, ohne auch nur einen Moment in hohles Pathos abzugleiten.
    Wunderschön. Wunder-wunderschön ...

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  4. @Britta

    Das ist es ja eben, was ich meinte, ich kenne die USA ja selbst. Meine Mutter wurde sogar 2x gesirt (sie schminkt sich nicht). Auf die Europäerin neben mir hat es aber total seltsam gewirkt.

    @Svenja
    Wie würdest du dir denn einen Film zum Thema vorstellen?

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  5. ge"sir"t?? Also als Mann angequatscht, weil sie sich nicht schminkt? Oh mein Gott, vielleicht sollte ich die USA weiträumig umgehen... ich rasier mir nicht mal immer die Beine, so wie das ein braves Frauchen machen sollte.

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  6. @Sarah: Bis auf eine mickrige Woche Manhattan habe ich keine persönlichen Erfahrungen, muss mich also auf das verlassen, was ich aus den Medien oder von amerikanischen Freundinnen erfahre, derer ich einige habe, weil ich mich schon seit '95 im Netz herumtreibe.
    Die Geschlechterrollen mögen "drüben" wohl durchaus noch fester gefügt sein - was aber auch nicht unbedingt ein Schade sein muss, weil eine klare Rolle auch Halt und Orientierung bieten kann.
    Das haben wir hier (und da ganz besonders die Männer!) doch schon ziemlich verloren ...

    @Lily: Hehe... bei den Amerikanern herrscht offenbar die Auffassung, dass sich besonders Deutsche gar niemals nie nicht rasierten - was dann zu so lustigen Witzen wie dem mit dem Franzosen führen kann, der eine bewußtlose Deutsche neben einem bewußtlosen Frosch auf der Straße findet, nach kurzem Überlegen dann den Frosch mit nach Hause nimmt, weil dem nicht erst die Beine rasieren muss... :)=)
    Auch vermuten Amerikanerinnen, dass JEDE Deutsche IMMER und ÜBERALL eine Slipeinlage trüge - und nicht nur, wenn sie ihre Tage hätte.
    Das macht denen da drüben echt Gedanken - weshalb ich schon mehrmals gefragt worden bin, ob das tatsächlich der Wahrheit entspräche ...

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  7. @Sarah: Ich kenne einen und den stelle ich euch demnächst in meinem Blog vor.
    Transamerica war nicht etwa schlecht, nein, nein, aber eben kein Transfilm. Ich habe eine blöde Erinnerung daran:
    Ich wollte mit meiner Familie eine Aussprache führen und wenigstens einmal mein trans zum Thema machen. Dazu ist es nie gekommen. Meine ExFrau sagte, sie habe mit den Kindern Transamerica geguckt und damit sei alles geklärt. Sie wüssten jetzt gut bescheid und seien im Übrigen nicht zuhause.
    Könnt ihr euch vorstellen, dass die ganze Welt inzwischen über mich bescheid weiß, ich aber kein einziges Mal mit meiner Familie darüber sprechen konnte?
    Mein Güte, alles habe ich geschafft, aber nicht, ein einziges vernünftiges sachliches Gespräch mit meiner riesigen Familie zu führen. Das ist das Einzige, das ich echt vermasselt habe.
    Aber dafür kann Transamerica nichts. Ist nur eine doofe Assoziation.

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  8. @Svenja- das kenn ich woher...aber leider den Film nicht. Muss ich mir mal anschauen.

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  9. @Svenja: Oje ... Das kann ich gut verstehen ... :(((
    Mit der entsprechenden Assoziation hätte ich den Film auch nicht mehr so geniessen können.

    Aber ein Trans-Film ist er doch schon, oder? Nur eben einer, der nicht ausschließlich um unser "Problem" kreist, sondern die Welt - und was wir ihr "zumuten" - miteinbezieht.

    Ich fand ja gerade so schön, dass - zwar unter erheblichen Schmerzen für alle Beteiligten - so etwas wie Aussöhnung zu Stande kommt ...
    Dass Bree plötzlich wieder mittendrin ist: Nicht mehr die Außenseiterin, die vorgeben muss, keine Familie zu haben... nicht mehr gerade gut genug, die Teller zu spülen (ist Dir aufgefallen, wie anders die Szene in dem mexikanischen Restaurant, in dem sie arbeiten, am Ende wirkt?). Nicht mehr der College-Drop-Out, sondern ein Mensch mit einer ganz normalen Perspektive.

    Svenja ... ich hoffe so sehr (und glaube ganz fest daran), dass Du den Dir zustehenden Platz in Deiner Familie wieder zurückbekommst - alles, alles hast Du schon geschafft. Das schaffst Du auch noch!

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  10. hmmm ich kenne den Film nicht (sorry) aber er hört sich nach genau der Herz-Schmerz-Schmonzette an, zu der ich sehr viel heulen würde. Ich liebe heulfilme - aber pssssssst :-)

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  11. Awww! Süße! Dann husch-husch zum nächsten DVD-Verleih! Und kauf Taschentücher! Viele!
    Und schmink Dich vorher ab - dass Du mir hinterher nicht aussiehst, wie Alice Cooper!
    *beams radiantly* :-)))

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  12. @Sarah: Schau mal, ich habe gerade eine Kritik zu meinem Lieblingsfilm zum Thema trans gepostet. Der Film heißt: "Eine Frage der Liebe". Im Original: "Normal".
    Der Film begeistert mich jedes Mal aufs Neue.

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  13. ich hab's endlich auch [im 'mäusekino'] geguckt, aus faulheit. und ich habe auch geweint. *schnief

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  14. Uii... freut mich, dass dir der Film gefallen hat. Selbst Alex, der es sonst nicht sooo mit Emo-Filmchen hat, fand den schön. ;-)

    Danke schön für den Verweis auf die Mädchenmannschaft - just gestern mailte mir auch eine Bekannte einen diesbezüglichen Zeitungsartikel. Nur scheint ein eifriger Staatsanwalt die Genehmigung bereits wieder kassiert zu haben... :-(

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  15. super, super, super!
    Bin durch Zufall auf diesem Blog gelandet und er hat mir bereits geholfen! Ich wollte den Film schon lange sehen, aber habe es immer wieder vergessen. Letztens war ich noch in der Videothek und wollte mir was schmalziges ausleihen, bin aber partout nicht auf den Titel gekommen.
    Wenn ich gleich zu Hause bin, werde ich es mir mit einer Tüte Chips so richtig schön gemütlich machen! DANKE :)

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  16. *lol* Viel Spaß!
    Chips sind prima - können aber die Taschentücher nicht ersetzen. Was Du aber spätestens dann merken wirst, wenn du versuchst, dir mit ihnen die Augen zu wischen... :)=)

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  17. hehe, danke für den Tipp ;)
    leider hab ich es gestern nicht mehr geschafft! Hatte dafür aber einen schönen Abend mit einer Freundin, die ich schon lange nicht mehr gesehen habe.
    Aber heute Abend wird das was! Ich freu mich schon :)

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